„Egal, in welcher Branche man arbeitet, egal welche Passion man hat. Man muss seine Kreativität füttern, um sich selbst auch kontinuierlich weiterzuentwickeln.“ sagte einmal Catharina van Delden, Gründerin von Innosabi und eine der einflussreichsten Frauen in der deutschen IT-Branche. Ihr und weiteren Keynote-Speakern durfte ich im Rahmen meines Bachelor Studiums „Kommunikation & Medienmanagement“ an der IST-Hochschule für Management in der vergangenen Woche beim Festival-Kongress des Art Directors Club (ADC) in Hamburg zuhören und mich inspirieren lassen. Das Motto „Füttere Deine Kreativität“ verriet schon, wohin die Reise beim zweitägigen Kongress ging, aber neben viel Gedankenfutter waren auch die Veränderungen der Werbebranche in unserer heutigen Zeit Diskussionsthema.
Die Werbebranche verändert sich, weil die Umwelt, in der sie agiert, immer schneller wird. Das prophezeite auch Pascal Finette von der Singularity University mit den Worten „Tomorrow will look dramatically different than today“. Auch van Delden stellte in ihrer Rede die neuen Technologien und Geschwindigkeit als Erfolgsfaktoren für die Innovationsförderung heraus. Außerdem empfindet sie Agilität, Offenheit, Transparenz und Kollaboration als besonders wichtig für Erfolg in immer schnelllebigeren Märkten.
Futter-Ideen aus der Praxis
Wir stecken also mitten im Wandel – geprägt von Digitalisierung, künstlicher Intelligenz und enormer Entwicklungsgeschwindigkeit. Das verändert die Prozesse in der Medien- und Werbebranche, in der die Teilnehmer des ADC Kongresses tätig sind oder einmal tätig sein möchten. Doch wie füttern wir nun unsere Kreativität, damit sie den Ansprüchen an Geschwindigkeit und Innovation noch gerecht wird? Keine leichte Frage, finden auch die Geschäftsführer und Kreativdirektoren der Werbeagenturen Kolle Rebbe, dieckertschmidt und Jung von Matt bei der Podiumsdiskussion im Open Space des Events. Sie sind sich einig, dass sich die Kreativität an sich durch die Digitalisierung nicht verändert. Auch ist die eigentliche Entwicklung kreativer Prozesse nicht komplexer geworden. Doch die Werbung, die am Ende das Ergebnis der Kreativität ist, hat sich verändert. Sie wird immer öfter nicht mehr als solche erkannt. Neue Werbemöglichkeiten entstehen und dadurch verändert sich auch die Wahrnehmung. Laut Thomas Heinz (Kolle Rebbe) ist es deshalb schwieriger, eine Idee so umzusetzen, dass sie wirklich wahrgenommen wird und den Empfänger erreicht. Stefan Schmidt (dieckertschmidt) sagt zu den gewachsenen Spielmöglichkeiten gleichzeitig: „Das führt dazu, dass wir nicht mehr lange üben können. Wir müssen direkt mitgehen.“
Im Rahmen des Kongresses zeigte Andrew Keller, Global Creative Director bei Facebook, auf, wie er die Kreativität in einem Konzern füttert. Keller nimmt sich dafür ein Beispiel an Ingenieuren und formt auch in der Kreativ-Abteilung Entwicklungsmethoden vom veralteten Wasserfallprinzip hin zu einer agilen Vorgehensweise. Das bedeutet, eine Idee wird nicht erst intern über viele Stellen geprüft und hat bis zur Veröffentlichung schon viele Ressourcen beansprucht. Im Gegenteil: Er verfolgt das Prinzip des „Machen und Lernen.“ In der Praxis bedeutet das, dass ein Werbespot direkt ausgespielt wird – manchmal in mehreren Ausführungen – und dann wird das Konsumentenverhalten beobachtet. Das ist der Lernprozess.
Verdiente Nägel bei der Junior-Preisverleihung
Dass nicht nur große Unternehmen, sondern auch der Nachwuchs Kreativität kann, haben Studenten bei der Junior-Preisverleihung im Rahmen des Events bewiesen. Den goldenen Nagel erhielten Abschluss- und Semesterarbeiten, die die Jury mehr als überzeugten. In Inhalt, Kreation und Technologie setzen die Ergebnisse neue Maßstäbe in ihrer Kategorie. Und so mancher Preisträger leistete dabei auch noch einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft. So erschuf Jonas Zimmer von der Hochschule RheinMain eine Reihe von Situationen und Bildern, die auf den ersten Blick ungewohnt wirkten. Nach dem Motto: „Das Fremde macht nur solange Angst, bis es vertraut ist“, sollten sie Akzeptanz und Toleranz fördern.
Die Menschlichkeit nicht vergessen
Und nach soviel Inspiration brachte ein Mann das Publikum am zweiten Kongresstag in wenigen Minuten wieder auf den Boden der Tatsachen. Dr. Eckhardt von Hirschhausen startete seinen Vortrag mit den Worten: „Eure Branche ist krank und macht euch krank.“ Sein Vergleich der so genannten „Still-Face“-Studie mit unserem heutigen Verhalten in Social Media erscheint einleuchtend. Bei dieser Studie des Entwicklungspsychologen Edward Tronick wurden Kleinkindern menschliche Reaktionen und Emotionen entzogen. Mit dem Ergebnis, dass die Stimmung des Kindes sofort negativ umschlägt. Social Media spielt in der Werbebranche und auch in unserem Alltag eine immer wichtigere Rolle. Doch entziehen wir uns damit ebenfalls unserer gegenseitigen Aufmerksamkeit durch den stetigen Blick auf das Display. Der Humorarzt ruft daher auf, sich dem Wahnsinn des exponentiellen Anstiegs an Geschwindigkeit und Veränderung (zumindest manchmal) zu entziehen und wieder persönliche, direkte – reale – Kontakte zu pflegen.
Was ist das Ergebnis?
Der Wandel, den die Digitalisierung und die Entwicklung neuer Technologien vorantreibt, spürt auch die Werbebranche. Das bietet neue Möglichkeiten und Chancen auf der einen Seite und fordert die kreativen Köpfe hinter den Medien auf der anderen Seite zunehmend heraus. Die Kreativität selbst verändert sich zwar nicht, doch sie muss ständig gefüttert werden, um Produkte und Formate erschaffen zu können, die noch zeitgemäß und erfolgreich sind. Ein Kongress, wie der des ADC ist dafür genau die richtige Plattform. Neben viel Inspiration und Futter bringt er vor allem auch Menschen zusammen und vergisst den Spaß nicht, den wir an unserer Arbeit haben sollten – egal, was wir tun.