Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar geht in die Endphase. Hinter mir liegen drei anspruchsvolle Wochen, gefüllt mit zahlreichen interessanten Einblicken in die Organisation des Turniers und intensiven Arbeitseinsätzen in zwei der acht WM-Stadien. Aber entspricht die Arbeit vor Ort meinen Erwartungen?
Mein Arbeitsplatz
Als einer von rund 22.000 freiwilligen Mitarbeitern der FIFA-Weltmeisterschaft in Katar habe ich die Möglichkeit, den bedeutendsten Wettbewerb im Fußball von einer anderen Seite kennenzulernen. Dabei habe ich das große Glück, eine Rolle im Stadion ausführen zu dürfen. Denn die Volunteers sind praktisch im ganzen Land tätig, so auch am Flughafen, in Hotels, in den sogenannten Fan Zones oder in Zusammenarbeit mit den Medien und den verschiedenen Abteilungen der FIFA. Etwas in der Stadt zu unternehmen, ohne mit Volunteers in Berührung zu kommen, ist praktisch unmöglich. Dies zeigt das Ausmaß der Organisation, welche ein solches Großturnier mit sich bringt.
Meine Arbeitsplätze für das Turnier sind das al-Thumama-Stadion und das Stadion 974. Findet in einem dieser Stadien ein Spiel statt, habe ich einen Einsatz. In den ersten zweieinhalb Wochen des Turniers bedeutet das somit nur einen Tag Pause. Gleichzeitig kann ich jedoch zumindest die Stimmung im Stadion und Teile des Spiels mitaufnehmen. Unter anderem sehe ich das Auftaktspiel der Niederlande, das 7:0 der Spanier gegen Costa Rica, die Weltstars aus Brasilien gegen meine Landsmänner aus der Schweiz, ein hoch-emotionales Iran-Spiel gegen die USA und eine Mbappé-Show im Achtelfinale gegen Polen.
Mein Arbeitsalltag
Meine Schicht im Stadion beginnt jeweils sechs Stunden bevor das Spiel angepfiffen wird. Je nach Verkehrslage dauert meine Anreise bis zu zwei Stunden. Nach einer obligatorischen Sicherheitskontrolle, dem Check-in im Workforce Center und zumeist längerer Wartezeiten treffe ich meinen Teamleader und meine Kollegen auf den Zuschauerrängen. Rund eine Stunde nach dem Eintreffen erhalte ich dort ein Briefing für den Spieltag. Denn an jedem Arbeitseinsatz werde ich einem anderen Team und somit einer neuen Aufgabe zugeordnet. Dies ermöglicht mir zum einen, jeden Tag neue Gesichter kennenzulernen, doch es erschwert auch das Gefühl, ein bedeutender Teil eines Teams zu sein. Denn nach zehn Schichten und einhundert neuen Namen verliere ich den Überblick. Genauso geht es wohl meinen Vorgesetzen, welche sich kaum merken können, wer Teil ihrer Gruppe ist.
Drei Stunden vor Anpfiff werden das Stadion und das Gelände für die Zuschauer geöffnet. Bis dahin heißt es warten und die zugeteilte Position wahren. Hier werde ich auch noch bis zum Abpfiff stehen und den Fans ihre Fragen beantworten, ihnen den richtigen Eingang zeigen oder sie zu ihrem Platz führen. Mehr Verantwortung wird mir leider nicht zuteil. Klar, ein Volunteer wird nie für die richtig großen Aufgaben zuständig sein, doch es ist auch der hier übliche, raue Umgangston, welcher eine leichte Demotivation bei mir und meinen Kollegen fördert.
Bei meiner Arbeit bin ich ständig in Kontakt mit der örtlichen Polizei und dem Sicherheitsdienst. Diese setzen sich hauptsächlich aus Gastarbeitern aus dem afrikanischen und asiatischen Raum zusammen. Ein Verständnis für die Kunden, respektive die Fans, oder auch die Absicht, mit uns Freiwilligen zusammenzuarbeiten, lassen sie oftmals vermissen. Es ist vielleicht gerade dieser Punkt, an dem sich die fehlende Erfahrung mit Fußball-Großereignissen spüren lässt. Zwar gibt es während meiner Schichten immer wieder aufhellende Momente, wie beispielsweise Begegnungen mit Fans aus der ganzen Welt oder brillante Aktionen auf dem Spielfeld, doch hätte ich mir von der eigentlichen Arbeit persönlich mehr Erfüllung erwartet. Nichtsdestotrotz sind gerade auch diese enttäuschenden oder belehrenden Einblicke hinter die Kulissen wichtig. Schon während meiner Rückfahrt in die Unterkunft mache ich mir Gedanken, an welchem Punkt die Freiwilligenarbeit hier hakt und wie diese verbessert werden könnte.
In Teil eins habe ich über meine ersten Eindrücke berichtet. In meinem letzten Artikel ziehe ich ein persönliches Fazit zur WM in Katar und schreibe über meinen Gesamteindruck des Turniers. Das Fazit lest Ihr in Teil drei.