Macht Reiten fit? Die Wahrheit über Pferdesport und Fitness

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Reiten wird oft belächelt. „Das ist doch kein Sport, du lässt dich doch nur tragen“, heißt es. Doch wer einmal selbst im Sattel saß, weiß, dass Reiten mehr ist als gemütliches Dahingleiten. Es fordert körperliche Fitness, Konzentration und Geschicklichkeit. Aber wie genau wirkt sich Reiten auf unseren Körper aus? Ist es wirklich ein effektives Training? Schauen wir uns das genauer an.


Reiten als Ausdauersport?

Ein erster Blick auf die Pulswerte von Reitern zeigt, dass die körperliche Anstrengung stark von der Disziplin und der Trainingssituation abhängt. Während bei einem intensiven Spring- oder Vielseitigkeitstraining der Puls deutlich ansteigt, ist das Freizeit-Dressurreiten oft vergleichbar mit Nordic Walking. Der Puls bleibt dabei im aeroben Bereich – der Herzschlag erhöht sich, aber nicht übermäßig. Das bedeutet: Reiten kann durchaus als Kreislauftraining betrachtet werden, das die Grundlagenausdauer stärkt. Für eine optimale Herz-Kreislauf-Fitness sollten allerdings ergänzende Sportarten wie Joggen oder Schwimmen in Betracht gezogen werden.


Konditionelle Fähigkeiten: Was Reiten von uns verlangt

Um besser zu verstehen, wie sehr uns das Reiten fordert, werfen wir einen Blick auf die vier konditionellen Fähigkeiten: Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Schnelligkeit.

  1. Kraft
    Reiten mag auf den ersten Blick nicht nach einem Krafttraining aussehen, doch der Schein trügt. Während der 45-minütigen Standard-Reiteinheit arbeiten unsere Muskeln durchgehend. Die Rückenmuskulatur stabilisiert den Oberkörper, die Beine geben Impulse, und die Bauchmuskulatur sorgt für die nötige Balance. Besonders auffällig ist die Kombination aus statischer und dynamischer Muskelarbeit: Während wir uns stabil im Sattel halten, geben wir gleichzeitig gezielte Impulse – ein echter Kraftakt. Je weniger trainiert der Reiter oder das Pferd ist, desto größer die Anstrengung. Ein regelmäßiges Training kann also nicht nur den Reiter, sondern auch das Pferd entlasten.
  2. Ausdauer
    Nicht nur die Herz-Kreislauf-Ausdauer wird beim Reiten gefördert, auch die Muskelausdauer profitiert erheblich. Über die Dauer eines Ritts hinweg müssen viele Muskelgruppen kontinuierlich arbeiten, ohne zu ermüden. Dies gilt besonders für fortgeschrittene Reiter, die präzise Hilfen geben und dabei gleichzeitig entspannte Kontrolle bewahren müssen. Regelmäßiges Reiten bringt also eine langfristige Verbesserung der allgemeinen Ausdauer mit sich.
  3. Beweglichkeit
    Beweglichkeit ist im Reitsport eine absolute Grundvoraussetzung. Anders als bei vielen anderen Sportarten ist es nicht nur unser eigener Körper, den wir bewegen – wir müssen uns auch den Bewegungen des Pferdes anpassen. Besonders das Becken spielt hier eine Schlüsselrolle: Es muss flexibel auf die rhythmischen Bewegungen des Pferdes reagieren, um eine harmonische Einheit zwischen Reiter und Tier zu gewährleisten. Gleichzeitig wird eine hohe Stabilität im Rumpf benötigt, um den Oberkörper aufgerichtet und ruhig zu halten. Die Kombination aus Beweglichkeit, Stabilität und Flexibilität macht Reiten zu einem einzigartigen Ganzkörpertraining.
  4. Schnelligkeit
    Auch Schnelligkeit spielt im Reitsport eine Rolle, insbesondere bei Disziplinen wie Springreiten oder Westernreiten. Der Reiter muss blitzschnell auf das Verhalten des Pferdes reagieren und dabei präzise Hilfen geben. Auch wenn Schnelligkeit nicht so offensichtlich gefordert wird wie bei klassischen Leichtathletik-Sportarten, schult Reiten die Fähigkeit, in kurzer Zeit optimale Bewegungen auszuführen.

Koordination: Die geheime Zutat des Reitens

Eine Fähigkeit, die im Reitsport oft unterschätzt wird, ist die Koordination. Während des Reitens muss der Körper zahlreiche komplexe Bewegungsabläufe gleichzeitig ausführen: Das Becken passt sich den Bewegungen des Pferdes an, die Beine geben sanfte Impulse, und die Hände bleiben ruhig und flexibel, um eine feine Verbindung zum Pferdemaul zu halten. Dazu kommt die Gewichtsverlagerung, die dem Pferd hilft, Balance und Orientierung zu finden. Diese Multitasking-Fähigkeit trainiert nicht nur die motorischen Fähigkeiten, sondern auch die Konzentration und das Körperbewusstsein des Reiters.


Ganzkörpertraining im Sattel

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Reiten eine Vielzahl von körperlichen Fähigkeiten fordert und fördert. Es kombiniert Ausdauer-, Kraft- und Koordinationstraining in einer einzigen Sportart. Besonders beeindruckend ist, wie Reiten nahezu alle Muskelgruppen anspricht – von der Tiefenmuskulatur des Rückens bis zu den Beinen, Armen und dem Rumpf.
Für viele Reiter ist der Sport zudem nicht nur eine körperliche Herausforderung, sondern auch eine mentale Bereicherung. Die Partnerschaft mit dem Pferd stärkt das Selbstvertrauen, reduziert Stress und sorgt für einen ausgeglichenen Geist. Wer regelmäßig reitet, profitiert also auf ganzer Linie – körperlich und emotional.


Das Fazit: Reiten ist mehr als nur „sich tragen lassen“

Reiten ist ein anspruchsvolles Ganzkörpertraining, das sowohl körperliche Fitness als auch mentale Stärke erfordert. Es kombiniert Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Koordination auf einzigartige Weise. Für diejenigen, die es belächeln, gibt es nur einen Rat: Selbst ausprobieren! Denn wer einmal selbst erlebt hat, wie intensiv die Arbeit im Sattel sein kann, wird schnell merken, dass Reiten definitiv ein Sport ist – und zwar einer der vielseitigsten, die es gibt.

Weitere Informationen zu pferdespezifischen Weiterbildungen gibt es hier.

Als Human- und Veterinär-Physiotherapeutin ist es Tanja Witte ein Anliegen, das Reiten für Pferd & Reiter zu einer gesunden und harmonischen Angelegenheit zu machen. Durch ihre jahrelange Erfahrung und die Ausbildung zur Tierphysiotherapeutin hat sie sich auf eine ganzheitliche Behandlungsmethode spezialisiert. Nicht nur das Tier steht im Mittelpunkt ihrer Arbeit, sie setzt auch beim Reiter an. Mit gezieltem Training und Physiotherapie beseitigt sie beiderseits Bewegungseinschränkungen mit dem Ziel, dass Pferd und Reiter lange gesund und zufrieden zusammenarbeiten.

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