Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der damit einhergehenden ändernden Altersstruktur in Unternehmen sowie dem Fachkräftemangel in vielen Branchen, stehen Betriebe vor großen Herausforderungen:
Der Anteil der über 50-jährigen Beschäftigten steigt kontinuierlich und die Mitarbeiter, die bereits 45 Jahre oder älter sind, werden in naher Zukunft die Mehrheit der Arbeitnehmer stellen. Gleichzeitig steigt das Renteneintrittsalter. Aber gerade im Alter von 45 bis 65 Jahren nehmen chronische Erkrankungen zu.
Darüber hinaus steigen in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt arbeitsplatzbezogene Belastungen sowie die Innovationsdichte auch für jüngere Beschäftigte. Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen nimmt generell in allen Altersklassen zu.
Klar ist, dass gesunde Arbeitnehmer, egal ob jung oder alt, mehr leisten können als kranke. Also, was tun?
Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) als Instrument zur Mitarbeiterbindung
Neben der aufwändigen Suche nach qualifizierten Mitarbeitern gehören also die Gesunderhaltung der Arbeitnehmer sowie eine möglichst reibungslose Rückkehr von erkrankten Beschäftigten an den Arbeitsplatz zu den zentralen Führungsaufgaben aller Unternehmen. Hier setzt das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) an.
Was ist betriebliches Eingliederungsmanagement?
Betriebliches Eingliederungsmanagement ist Teil des betrieblichen Gesundheitsmanagements und oft im Personalmanagement aufgehängt.
Mit BEM sollen Arbeitgeber die Wiedereingliederung von langzeiterkrankten Mitarbeitern ermöglichen und sie damit langfristig vor einer erneuten Arbeitsunfähigkeit, einer krankheitsbedingten Kündigung oder gar Frühverrentung schützen.
Dabei handelt es sich aber nicht nur immer um ein freiwilliges Engagement des Arbeitgebers, auch, wenn längst erwiesen ist, dass sich Investitionen in die Gesundheit der Belegschaft und eine erfolgreiche Wiedereingliederung unternehmerisch auszahlt.
Ein Unternehmen ist gesetzlich verpflichtet ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten, sobald Beschäftigte innerhalb von 12 Monaten ununterbrochen mehr als sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit oder wiederholt arbeitsunfähig waren.
Die Initiative, ein BEM-Verfahren anzustoßen, geht dabei immer vom Arbeitgeber aus. In der Regel gibt es im Betrieb jemanden, der sich mit dem Thema BEM, also Arbeitsrecht, dem BEM-Verfahren und dem Maßnahmenkatalog, auskennt und der Ansprechpartner für alle am Prozess Beteiligten ist.
Allerdings gilt ein verpflichtendes BEM-Verfahren für Unternehmen nicht, wenn sich der erkrankte Arbeitnehmer im Mutterschutz oder noch in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses befindet.
Gesetzlich vorgeschrieben ist ein professionelles BEM bereits seit dem 1. Mai 2004 und damit seit vielen Jahren für jeden Betrieb verbindlich. Als gesetzliche Grundlage geregelt ist es im § 167 des Sozialgesetzbuches, im Neunten Buch (SGB IX).
Wie setzt sich BEM zusammen?
Betriebliches Eingliederungsmanagement lässt sich grundsätzlich einteilen in 3 Teilbereiche:
- in den fallbezogenen Prozess selbst
- in die entsprechende Dokumentation mit Datenschutz
- in darüberhinausgehende Prozesse
Der fallbezogene Prozess betrachtet immer den einzelnen betroffenen Arbeitnehmer und umfasst die Einzelschritte von der sogenannten BEM-Einleitung, über das BEM-Gespräch, Maßnahmenplanung, Maßnahmenumsetzung bis hin zum BEM-Abschluss.
Die Dokumentation dient der rechtlichen Absicherung und der Nachvollziehbarkeit aller BEM-Prozessschritte. Ganz wichtig: Datenschutz. Die im Gespräch erhobenen, meist sensiblen Daten des erkrankten Mitarbeiters werden ausschließlich für die Durchführung der Maßnahmen innerhalb des BEM verwendet und nur mit seiner schriftlichen Zustimmung an Dritte weitergegeben.
In den darüberhinausgehenden Prozessen hat der BEM-Beauftragte die Rahmenbedingungen im Betrieb, weitere interne Beteiligte wie beispielsweise die Schwerbehindertenvertretung oder den Betriebsrat sowie den Einbezug externer Ansprechpartner bei den Rentenversicherungsträgern, bei den gesetzlichen Krankenkassen, beim Integrationsamt oder bei der Bundesagentur für Arbeit im Blick.
Information, Kommunikation, Datenschutz: Voraussetzungen für erfolgreiches betriebliches Eingliederungsmanagement
Nur gemeinsam. Besonderes Augenmerk liegt beim BEM auf dem erkrankten Arbeitnehmer und seinen Bedürfnissen. Er darf ein BEM-Verfahren ablehnen und an jedem Punkt des Prozesses abbrechen.
Deshalb muss für ein erfolgreiches betriebliches Eingliederungsmanagement von Anfang klar kommuniziert werden, dass ein BEM-Verfahren nicht der Kontrolle des betroffenen Mitarbeiters dient oder dazu, Druck auf ihn aufzubauen, sondern ein ernstgemeintes Angebot ist, ihm mit der Umsetzung eines BEM-Prozesses und durch begleitende Hilfen zu helfen.
Der Arbeitgeber sollte in seinem BEM-Einladungsschreiben, mit dem er zum ersten Gespräch einlädt, auf die Ziele des Verfahrens und auf die zu erhebenden Daten mit dem entsprechenden Schutz dieser meist sensiblen Daten hinweisen. Datenschutz ist, wie bereits erwähnt, ein wesentlicher Garant der Vertrauensbildung.
Deshalb ist es auch wichtig, eine gesonderte BEM-Akte über den BEM-Berechtigten anzulegen, die von der Personalakte getrennt aufgehoben werden muss. Drei Jahre nach Beendigung des Verfahrens muss diese BEM-Akte datenschutzkonform entsorgt werden.
Umfassende Information der Beteiligten, transparente und kontinuierliche Kommunikation sowie garantierter Datenschutz sind wichtige Säulen der Arbeit in der betrieblichen Eingliederung.
Das BEM-Gespräch: Wer nimmt daran teil?
An diesem ersten Gespräch nehmen der Arbeitgeber (oder eben der BEM-Verantwortliche), natürlich der Beschäftigte, eventuell eine Person seines Vertrauens und gegebenenfalls ein Mitarbeitervertreter, beispielsweise aus dem Betriebsrat, teil. Der Erkrankte entscheidet, wer über den Arbeitergeber hinaus (oder seines Stellvertreters) an dem Gespräch teilnimmt.
Wie funktioniert betriebliches Eingliederungsmanagement?
Das BEM-Gespräch ist eine Situationsanalyse, in der es herauszufinden gilt, inwieweit der Arbeitgeber an der Gesundung des betroffenen Beschäftigten mitwirken kann. Dabei gibt es keine gesetzlichen Vorgaben, sondern es handelt sich um einen ergebnisoffenen Suchprozess, der individuelle Ergebnisse, hervorbringt. Am Ende steht die individuelle BEM-Vereinbarung.
Dafür wird in der Regel ein Anforderungsprofil erstellt, in dem die Anforderungen, die der Arbeitsplatz an den Betroffenen stellt, erfasst werden. Dem gegenüber steht das Fähigkeitsprofil des Arbeitnehmers, in dem seine Kompetenzen, seine Fähigkeiten und Ressourcen gebündelt werden. Auch seine private Situation wird miteinbezogen.
Aus dieser Übersicht ergeben sich Hinweise auf mögliche Gestaltungsfelder. Manchmal reicht eine Umgestaltung oder ergonomische Ausstattung des Arbeitsplatzes aus. Aber in einigen Fällen muss die Förderung der betrieblichen und privaten Ressourcen oder aber die Förderung der Leistungsfähigkeit durch (betriebliche) Qualifizierung, Rehabilitation oder Anpassung der Arbeitsweise im Fokus stehen.
Um nicht nur auf die aktuelle Lage zu reagieren, sondern vorausschauend zu agieren, sollten unbedingt Angebote zur Prävention mitbedacht werden.
Geeignete Maßnahmen finden und umsetzen
Aus dieser Analyse werden einzelne BEM-Maßnahmen abgeleitet, die zur Überwindung der aktuellen Arbeitsunfähigkeit beitragen und einer zukünftigen Arbeitsunfähigkeit vorbeugen. Ziel ist, wie schon erwähnt, die langfristige Arbeitsfähigkeit des Beschäftigten. Der Maßnahmenkatalog umfasst beispielsweise neben der Arbeitsplatzgestaltung auch die psychosoziale Beratung, medizinische Rehabilitation, Weiterbildung, technische Hilfen, Coaching und Stressbewältigungs-, Ernährungs- oder Bewegungsangebote (auch als Angebote der Prävention). Bei entsprechenden Maßnahmen holt der BEM-Beauftragte Rehabilitationsträger, wie zum Beispiel die Deutsche Rentenversicherung oder eine andere gesetzlichen Rentenversicherung, oder Integrationsämter und Schwerbehindertenvertretungen (wenn schwerbehinderte Menschen BEM-Berechtigte sind) mit dazu.
Wenn erfolgversprechende Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements gemeinsam mit der betroffenen Person identifiziert, diskutiert und anschließend verbindlich festgelegt wurden, müssen die Aufgabenbereiche, Verantwortlichkeiten und Rolle der Beteiligten, wie zum Beispiel die des Vorgesetzten, für eine erfolgreiche Durchführung des BEM-Verfahrens definiert und wahrgenommen werden. Denn das zentrale Ziel ist ja, den Betroffenen in die Arbeitsfähigkeit zurück zu holen und am vorhandenen oder einem seiner Fähigkeiten entsprechenden Arbeitsplatz einzusetzen. Und langfristig die Gesundheit des Beschäftigten zu erhalten. Das geht nur verlässlich Hand in Hand.
Haben die Eingliederungsmaßnahmen Auswirkungen auf andere Bereiche des Betriebs oder andere Kollegen, müssen diese Arbeitnehmer möglichst frühzeitig in den Prozess der Wiedereingliederung integriert werden, um auch deren Akzeptanz zu erreichen.
Neben Informationen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen, Leistungsträgern und einzelnen potenziellen Maßnahmen müssen BEM-Verantwortliche und BEM-Teams also vor allem über geeignete Kommunikationsstrategien und Empathie verfügen, um der betroffenen Person partnerschaftlich auf Augenhöhe zu begegnen. Die Erfahrung zeigt: Nur, wenn Mitarbeiter sich ernst genommen fühlen, umfassende Informationen an die Hand bekommen haben, Vertrauen aufbauen und gemeinsam mit dem Fallmanager ihre individuellen Etappenziele erarbeiten, werden sie diese verfolgen und somit aktiv ihre Wiedereingliederung mitgestalten.
Ist eine stufenweise Wiedereingliederung das Gleiche wie BEM?
Die stufenweise Wiedereingliederung ist nicht mit einem durchgeführtem BEM gleichzusetzen, sondern eine bewährte und eine der häufigsten Maßnahmen, auf die in vielen Fällen zurückgegriffen wird. Ob ein Arbeitnehmer aufgrund psychischer Belastungen oder körperlicher Einschränkungen mehr als sechs Wochen ausgefallen ist – die stufenweise Wiedereingliederung stimmt der betroffene Arbeitnehmer mit seinem behandelnden Arzt ab. Gemeinsam entscheiden sie, über welchen Zeitraum wie viele Stunden in der Woche gearbeitet werden kann und welche Besonderheiten es bei der Durchführung möglicherweise zu beachten gilt. Arbeitgeber und Krankenkassen müssen im Vorfeld über diese Maßnahme informiert sein und ihre Zustimmung für die Umsetzung geben. Und auch der Arbeitnehmer entscheidet wieder, ob er dieses Angebot annehmen möchte oder nicht.
Was passiert, wenn der Betroffene BEM ablehnt?
Die Zustimmung des Erkrankten hat große Auswirkungen auf den Erfolg des kurzfristigen Wiedereingliederungsprozesses, vor allem aber auf die langfristigen Ziele: den Mitarbeiter vor weiterer Arbeitsunfähigkeit, krankheitsbedingter Kündigung oder Frühverrentung zu schützen und so den Arbeitsplatz zu erhalten.
Aber Mitarbeiter sind nicht verpflichtet, BEM-Angebote zu akzeptieren, und können den BEM-Prozess jederzeit abbrechen. Auch ohne Begründung.
Einem Arbeitnehmer ist es allerdings nicht anzuraten, das BEM-Verfahren abzulehnen oder abzubrechen. Denn damit verspielt er die Möglichkeit, eine für ihn positive Veränderung zum Wohle seiner Gesundheit herbeizuführen. Zum anderen ist der Arbeitgeber schon mit dem Einladungsschreiben zu einem ersten BEM-Gespräch seiner gesetzlichen Pflicht nachgekommen und könnte bei Ablehnung oder Abbruch eine krankheitsbedingte Kündigung vorbereiten.
Gesetzestexte lesen oder sich weiterbilden?
Betriebliches Eingliederungsmanagement ist ein hochspannendes, komplexes und sensibles Arbeitsgebiet, das fachliche Kompetenz, Interesse am Menschen und Empathie erfordert.
Betriebliche Gesundheitsmanager oder Personalverantwortliche, die im betrieblichen Eingliederungsmanagement tätig werden sollen oder wollen, können natürlich entsprechende Gesetzestexte zum BEM-Leitfaden lesen und sich dann an die betriebliche Eingliederung wagen. Oder sie können sich zum Thema BEM qualifiziert weiterbilden, um den Herausforderungen dieser Arbeit professionell begegnen zu können.
Die gesetzlichen Vorgaben zu kennen ist zwar ein Teil des betrieblichen Eingliederungsmanagements, die eigentliche Arbeit beginnt aber bei den BEM-Gesprächen mit den betroffenen Kollegen. Da ist es immer hilfreich, sich durch einen erfahrenen Dozenten und anschauliche Praxisbeispiele aus dem Eingliederungsmanagement in einer profunden Ausbildung wichtige Tipps zur Umsetzung zu holen, wie man als BEM-Beauftragter möglichst souverän agiert und kommuniziert. Schließlich soll es ja zu einem für alle Seiten zufriedenstellenden Ergebnis des Verfahrens kommen.
Das IST-Studieninstitut bietet eine passende Qualifikation an. Neben Studienheften und einem Seminar sind hier fünf Online-Vorlesungen mit aktuellen Praxisbeispielen, ein Leitfaden zur Planung und Durchführung von BEM-Gesprächen sowie wichtige Checklisten und Handlungsempfehlungen inklusive.
Weitere Informationen zur umfassenden Weiterbildung „Betriebliches Eingliederungsmanagement“ erhalten Sie auf der Webseite des IST-Studieninstituts.