Statt klassischer Pauschal-, Baustein- oder Individualreisen steht heute das Gemeinschaftsgefühl des „Social Travelling“ im Mittelpunkt. Reisende möchten als Insider und nicht mehr nur als Touristen wahrgenommen werden. Sie suchen während ihres Urlaubs den Austausch mit Einheimischen, unvergessliche Abenteuer und streben nach Identifikation mit der ausgewählten Destination. Deshalb müssen für den Gast sowohl Klischees als auch USPs der einzelnen Regionen vor Ort erlebbar und ein sinnvoller Mehrwert vorab erkennbar werden.
Wirft man einen Blick auf die Inhalte und Werbemotive aktueller Kampagnen verschiedenster Urlaubsziele weltweit, findet genau diese Theorie Bestätigung.
Facettenreiches Destinationsmarketing
An Bushaltestellen, in U- Bahnhöfen und bekannten Hochglanzmagazinen, genauso wie in TV, Radio, Mailings und Social Media – überall erregen Destinationsmarketingkampagnen Aufmerksamkeit. Doch damit nicht genug.
Modernes Destinationsmarketing verlangt von Entscheidern immer wieder kreative und innovative Ideen, um den zukünftig steigenden Anforderungen der potenziellen Urlauber und der sich schnell verändernden Rahmenbedingungen gewachsen zu sein. Denn etwas, das heute für den Konsumenten unerwartet beziehungsweise überraschend ist, wird morgen schon von ihnen erwünscht, übermorgen erwartet und bald darauf vorausgesetzt. Darum gilt es den Wettstreit mit anderen Destinationen durch vernetztes, fortschrittliches Denken und gegebenenfalls durch Kooperationen, beispielsweise mit Reiseveranstaltern oder Fluggesellschaften, für sich zu entscheiden.
Im Kern der Zielgebietsvermarktung steht stets der Wunsch, die Destination als eigene Marke am Markt zu positionieren, über die Bekanntmachung der unterschiedlichen Attraktivitätspotenziale Neugier beim potenziellen Urlaubsgast zu wecken und Vertrauen aufzubauen.
Effizientes Destinationsmarketing wird im Übrigen nur durch die zielorientierte und harmonische Zusammenarbeit aller Beteiligten an der touristischen Wertschöpfungskette möglich.
Hierbei dürfen jedoch nie die elementaren touristischen Werte in Anbetracht der Reise- und Nachfragemotive der Zielgruppe und vor allem der Schlüsselbegriff der Authentizität außer Acht gelassen werden. Nur wenn Kampagnen glaubwürdig gestaltet werden und wahre, einzigartige Vorzüge des Reiseziels in den Mittelpunkt gestellt werden, können sie Verbraucher überzeugen und parallel zu einer Imageaufwertung beitragen.
Sich verändernde Umweltbedingungen, wie derzeit durch die Corona-Pandemie deutlich spürbar, erfordern zudem einen starken und vertrauenserweckenden Auftritt der Tourismusverbände und der (inter-)nationalen Tourism Boards, damit Urlaubsregionen im Auge des potenziellen Gastes ihre Anziehungskraft bewahren. Dabei kommt der transparenten Kommunikation und der Vermittlung von Sicherheits- und Hygienekonzepten im Urlaubsziel aktuell eine besonders bedeutende Rolle zu.
Die Vermarktung der Destination Deutschland
Der Verbraucher hat als solcher schon lange seine Machtposition auf dem Käufermarkt erkannt und es bedarf mutiger und einfallsreicher Destinationsvermarktung, um diesen in seiner Urlaubsentscheidung positiv zu beeinflussen.
Gerade deutschen Urlaubsgebieten, beziehungsweise den dortigen Leistungsträgern, wird oftmals im Vergleich zur weltweiten Konkurrenz eine fehlende Dienstleistungsbereitschaft und Freundlichkeit vorgeworfen.
Hierbei wird deutlich, dass bereits im Ausland gesammelte Erfahrungen von Urlaubern zu Erwartungen transformiert und auf heimische Verhältnisse übertragen werden.
Die für ihre erstklassigen All-Inclusive-Leistungen bekannten Urlaubsziele, wie die türkische Riviera und Ägäis, Ägypten oder auch Griechenland, profitieren zusätzlich vom hohen Einfluss des Empfehlungsmarketings von Freunden, Familienangehörigen oder Bekannten. Dies erhöht wiederum den Druck auf deutsche Urlaubsgegenden.
Entscheidend ist des Weiteren, dass der Gast eine Region als einheitlichen, aber immer individuellen Erlebnisraum wahrnimmt und sich somit die Größenwahrnehmung der Destination von Urlauber zu Urlauber stark unterscheiden kann. Dabei ist unter anderem relevant, ob es sich um eine berufliche oder private Reise handelt und die Destination als Urlaubs- und Erholungsort, als Ziel eines geschäftlichen Anlasses oder einer Kombination aus beidem fungiert. So kann für einen Europäer ganz Südamerika im Rahmen einer Rundreise zur Destination werden, während für einen Chilenen ein Meeting in Montevideo dazu führt, dass einzig das Tagungshotel mit all seinen Einrichtungen und nicht die Hauptstadt Uruguays zum Ziel wird. Die Reiseform kann deshalb den Bewegungsradius des privat oder beruflich motivierten Gastes deutlich erweitern oder limitieren und beeinflusst damit die regional wie auch überregional wichtigen Tourismusentscheidungen für einen möglichst flächendeckenden Fremdenverkehr.
Für die Vermarktung des Zielgebiets bedeutet dies, dass kooperative, integrative und innovative Konzepte im Sinne eines Destinationsmanagements geschaffen werden müssen, damit zum Beispiel auch außerhalb der touristischen Hotspots gelegene Sehenswürdigkeiten und Ortschaften während des Aufenthalts besucht werden. Dabei kann beispielsweise die Einführung eines „Destination Card Systems“ (die Weiterentwicklung von „Kurkarten“) ein nützliches Werkzeug und gleichzeitiges Kundenbindungsinstrument darstellen. Denn nur mithilfe einverständlicher Zusammenarbeit aller touristischen Einrichtungen und Entscheider können die zahlreichen Bedürfnisse der Urlaubsgäste, aber auch der Mitwirkenden, anhaltend befriedigt werden.
Die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus in den einzelnen Bundesländern ist dagegen, aufgrund der unterschiedlichen Flächenwirkung des Fremdenverkehrs innerhalb der Regionen, sehr verschieden. So sorgt der in Bayern starke Städtetourismus, bei gleichzeitig abnehmender Bedeutung des Umlandes, für eine schwache Flächenwirkung des Wirtschaftszweigs. Ähnlich ist dies in Berlin und Brandenburg oder auch in Sachsen zu beobachten. Somit werden neue Ansätze in der Regionalentwicklung benötigt, damit das Ziel von eigendynamischen und damit strategisch managebaren Einheiten für den Auftritt im heimischen, wie auch europäischen und weltweiten Markt erreicht werden kann.
Einen zumeist humorvollen Ansatz stellen dabei die unterschiedlichen Slogans dar, die Autofahrer beim Passieren der Ländergrenzen aller 16 Bundesländer auf unseren Autobahnen begrüßen. Der bekannteste und beliebteste Werbespruch ist dabei: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“ des Landes Baden- Württemberg.
Doch wie die Universität Hohenheim bereits 2017 im Kontext ihres „Humboldt reloaded“-Projektes feststellte, lässt die Bekanntheit der Slogans innerhalb der deutschen Bevölkerung zu wünschen übrig. Hier zeigt sich deutliches Aktionspotential für die leitenden Tourismus- und Marketinggestalter.
Destination Governance
Wie alle Branchen unterliegt auch der Tourismus einem Strukturwandel. Die stetig wachsenden Herausforderungen und die national wie international zunehmende Konkurrenz erfordern eine Weiterentwicklung und Erweiterung des klassischen Destinationsmanagements hin zum Destination Governance.
Für den Erhalt der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit einer touristischen Region ist es heutzutage unerlässlich, dass Verantwortliche in tourismuspolitische Projekte und Entscheidungen Werkzeuge zur Steuerung und Auswertung integrieren. Damit gewinnen sie systematisch Einfluss auf den erfolgreichen Ausbau der Destination.
Nur auf diese Weise können aktuelle Themen, wie beispielsweise die Komplexität nachhaltiger Tourismusansätze bei voranschreitendem Klimawandel, genauso wie die zunehmende Digitalisierung und sich ändernden Bedürfnisse der Zielgruppe bewältigt werden. Ziel des Destination Governance ist es darum, vielseitige Lösungsansätze zu entwerfen, welche eine stärkere Partizipation der einzelnen Tourismusakteure und Interessensgruppen vorsehen und damit den qualitativen und innovativen Fortschritt der jeweiligen Region vorantreiben. Gerne bedient man sich dabei breit aufgestellter Marktforschungsstudien oder Panels.
Destinationsmarketing – für jeden erlebbar
Neueste Trends in der Destinationsvermarktung können Experten wie auch neugierige Konsumenten jährlich in Berlin auf der Internationalen Tourismus Börse (ITB), der führenden Fachmesse der Branche, live erleben.
Doch die Entwicklungen und neuartigen Ideen im Destinationsmarketing sind gleichermaßen im Alltag sichtbar. Aufmerksamkeit erregte beispielsweise folgende von der Agentur Candeo ausgeführte Guerilla- Marketingaktion:
Für deren Partner, die französische Karibikinsel Martinique, wurden mit Nanospray an stark frequentierten Orten in vier Großstädten Deutschlands von einem Künstler Botschaften auf dem Boden gesprüht, welche nur bei Regenwetter sichtbar wurden. Gemeinsam mit den beiden Kampagnenpartnern, der Airline Condor und dem französischen Fremdenverkehrsamt, warb man auf diesem Weg mitten im deutschen Winter für das sonnenreiche Antillenparadies.
Die Dialogkampagne #alleswaswirlieben der Destination Südtirol ist derzeit in Italien, der Schweiz und in Deutschland vertreten. Um die im Zuge der negativ behafteten medialen Aufmerksamkeit aufgetretenen Sicherheitsbedenken der Gäste zu beruhigen, nutzt die verantwortliche Agentur IDM Südtirol genau diese Thematik.
Mithilfe transparenter Kommunikation und Verantwortungsbewusstsein wird eine Imageaufwertung der Sicherheitsstandards angestrebt. Ziel war es, weiterhin mit den Gästen in Kontakt zu bleiben, um nach den Pandemieeinschnitten beim Neustart der Tourismuswirtschaft als Destination Südtirol erfolgreich mitzuwirken.
Aufgrund einer eigens durchgeführten Studie kannten die Marketingverantwortlichen die zwei ausschlaggebenden Bedürfnisse der Zielgruppe. Deshalb rücken die beiden Kernbegriffe „Freiheit“ und „Natur“ auf sämtlichen Werbewegen in den Mittelpunkt.
Unter dem Slogan: „Wohin mit dem Freiheitsdrang? Nach Südtirol“ wird nun in den relevanten Kanälen Internet, Radio, Print und Außenwerbung geworben. Schnell zeigte sich: Besonders die deutschen Urlauber sind zuverlässig und helfen die massiven Verluste des Frühjahrs, zumindest teilweise, abzufedern.
Zum bereits ansteigenden Nachfragevolumen tragen ebenfalls die zahlreichen Berichte und Inhalte von Journalisten und Content-Creators und die Kooperation mit Reiseveranstaltern und Reisebüros bei.
Einen spannenden und kreativen Ansatz schaffte zudem die bekannte Marketingagentur Jung von Matt. Unter dem Hashtag #züvenirs tourte im Sommer quer durch die Schweiz ein blauer Kleintransporter. Der sogenannte „Züvenir- Shop“ sorgte schnell für die gewollte Aufmerksamkeit. Doch welche Idee steckte hinter dieser außergewöhnlichen Aktion?
Während es bedingt durch die Coronakrise in den Schweizer Bergen zu Massentourismus gekommen war, blieben unterdessen anderen Schweizer Ferienregionen die Gäste aus. Die verantwortlichen Destinationsmanager von „Zürich Tourismus“ erkannten den Handlungsbedarf und kreierten gemeinsam mit der Werbeagentur das erfolgsversprechende Projekt.
Ziel war es, mit dem Verkauf der „Züvenirs“, die Vielfältigkeit Zürichs und der Region Limmatstadt zu bewerben und Gäste anzulocken. Dabei wurde humorvoll gezeigt, dass Reisewillige nicht nur spanische, französische und niederländische, sondern auch türkische und isländische Erlebnisse ebenso gut in der Schweiz hätten sammeln können.
So gab es zur Verwunderung einiger Passanten im „Züvenir Shop“ neben vielen weiteren typischen Urlaubsandenken ein „Zübiza“- Strandtuch, eine „Züstanbul“- Tasse oder auch den „Zü- Tropez“ -Jutebutel. Doch dies war nur der erste Schritt in der mehrstufig angelegten Sommerkampagne. Gemeinsam mit „Zürich Tourismus“ setzt die Agentur in der zweiten Stufe auf die Reichweitenstärke von bekannten Social-Media-Influencerinnen und -Influencern und stärkt somit die Bekanntheit der Aktion und den Absatz der im eigens gestalteten Webshop erhältlichen „Züvenirs“.
Spannende Entwicklungen
Das Destinationsmanagement der Zukunft sieht steigende Ansprüche an Social-Media- Auftritte und eine abnehmende Relevanz der Datensammlung über Webseiten vor.
Die heutige und zukünftige Zielgruppe nutzt vermehrt Apps zur Einholung von Inspiration und der eigenen Urlaubsplanung. Noch nie war es so leicht und bequem, innerhalb von Sekunden die Reise eines Anderen vom heimischen Sofa aus mitzuerleben und in vermeintlich fremde Welten einzutauchen.
Es braucht immer mehr qualitativen Content und erfolgreiches Storytelling, um vor allem die jungen Reisenden von einem Urlaubsziel zu überzeugen. Doch auch die ältere Generation greift bei der Reiseplanung mehr und mehr zu Tablet oder Smartphone und bestätigt dadurch die nachlassende Relevanz von Magazinen und Reiseprospekten.
Dabei muss schon heute über funktionelle Technologien zur künftigen Datensammlung und -aufbereitung nachgedacht werden, um der perspektivisch wachsenden Erwartungshaltung der Gäste und der gewaltigen Datenflut gerecht zu werden.
Destinationsmanagement ist demnach eine spannende Mammutaufgabe, die nur mit strategischer Planung und Projektkoordination, realistischen Zielsetzungen, einer hohen Kooperations- und Kompromissbereitschaft aller Beteiligten sowie einer klaren Marketingstrategie und Positionierung gemeistert werden kann.
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