War es eine Medienveranstaltung oder eine Internet-Konferenz? Dank der Digitalisierung sind beide Bedeutungen sehr nah bei einander. Diese richtungsweisende Veranstaltungskombination für eine sehr schnelllebige (Buzzword: disruptive) Branche hat ein breites Publikum, generationsübergreifend, zwischen 18 und 80 Jahre.
Ich habe mich als Projektleiterin Marketing & Sales für die IST-Hochschule für Management unter die über 8.000 internationalen Besucher gemischt – und bin mit spannenden Themen und aktuellen Trends zurückgekommen. Wichtige Inhalte der re:publica 17 und der Media Convention Berlin 17 finden sich zeitnah in unseren Studiengängen und Weiterbildungen wieder. Drei spannende Teaser hab ich schon mal mitgebracht:
Automating Creativity am Beispiel IBM Watson
Kreative Produktionen werden durch Computeranalyse unterstützt. Hört sich erst einmal simpel an. Aber das Computerprogramm Watson von IBM ist eine künstliche Intelligenz, ein selbstlernendes System, das kreative Prozesse revolutioniert. Als Beispiel wurde die Erstellung eines Trailers für den im Herbst startenden Film „Morgan“ gezeigt. Der Trailer wurde von Watson in 24 Stunden erstellt. In der Regel dauert dies 20 Tage. Für den „60-Sekunder“ analysierte Watson 100 Trailer anderer erfolgreicher Horrorfilme. Die visuellen und auditiven Ergebnisse und die Auswertung der Szenenbilder ergaben einen Algorithmus, mit dem der Trailer für Morgan erstellt wurde.
Künstliche Intelligenzen erstellen Algorithmen, mit denen Redakteure in wenigen Minuten einen Videobeitrag produzieren oder Texte komplett automatisiert schreiben. Sie erfinden selbstständig neue Bilder und Kunstwerke und kreieren Mode. Watson ist nur ein Beispiel, wie sich auch kreative Berufsbilder durch die Digitalisierung komplett verändern oder auch ganz wegfallen können. Dafür entstehen aber auch neue Arbeitsplätze.
Die Zukunft des immersiven Storytellings
John Gaeta, Executive Creative Director von LMxLAB Lucasfilms und maßgeblich an den visuellen Effekten der Matrix-Triologie beteiligt, sorgte auf der re:publica für einen Massenauflauf. Von Insidern wird er auch als „VFX-Guru“ bezeichnet. Aber vorab: Was bedeutet eigentlich „immersiv“? Es geht um das Eintauchen in eine Geschichte mit Hilfe neuer Technologien.
Gaeta sprach zunächst vom immersiven Entertainment. Das konkrete Beispiel ist der geplante Disney-Themenpark „Star Wars Welt“. Da die Eröffnung erst 2019 sein wird, müssen die Fans noch auf das reale „Eintauchen“ in diese Welt warten. Danach betonte Gaeta, dass die Zukunft „Mixed Reality“ sein wird, also die gesamte Bandbreite von der normalen Realität, über Augmented/Erweiterte Realität, Augmented/Erweiterte Virtualität bis hin zur Virtualen Realität, also einer Realität, die nur virtuell existiert, in der man sich aber bewegen, die man erfahren und erfühlen kann. Es wird ein individuelles Storytelling geben, bei dem die Spieler und Teilnehmer die Umgebung mitgestalten und mitentscheiden können, welche Richtung die Geschichte nimmt und welche Rolle sie selbst dabei einnehmen. Sie werden als Avatare gemeinsam mit Freunden in der Virtualen Realität sein, in Welten, die halb real, halb Fantasie sind.
Gaetas Vision: Menschen sehen plötzlich virtuelle Dinosaurier durch die (realen) Straßen rennen, und es könnte zur Massenpanik kommen. Am Ende der Key Note sprach er noch von einer persönlichen Prognose zur Handynutzung. Er ist der Meinung, dass die Handynutzung komplett durch digitale Brillen ersetzt wird, eine Brille, die von 0 bis 100 Prozent Virtuale Realität reguliert werden kann.
Snapchat-Trends
Als Snap-Newcomer habe ich heute erfahren, was ein Streak ist: nämlich, dass sich zwei Nutzer mindestens alle 24 Stunden eine Nachricht schicken. Dieser „Dauerdialog“ wird mit einer Flamme gekennzeichnet. Zu analogen Zeiten haben wir davon gesprochen, dass wir eine „Standleitung“ haben.
Auch wenn der Börsenkurs von Snap für die Anleger gerade enttäuschend ist, für das Storytelling gewinnt Snap immer mehr an Bedeutung. Es gibt jetzt auf Snap einen deutschen Discover-Bereich. Hier können die Redaktionen von VICE, Sky, Spiegel Online und Bild.de ihre Inhalte posten. Damit wird Snap kommerzieller und auch „normaler“. Bild.de machte zum Beispiel im Frühjahr 2017 eine Snap-Reportage über die Kampfhandlungen in Mossul. Auch Snapchat-Beiträge, beispielsweise Videos über zehn Sekunden, müssen sehr gut vorbereitet sein. Man benötigt ein kleines Storyboard und muss sich auf den Kern der Geschichte konzentrieren; darüber hinaus überlegen, wieviel „10-Sekunder“ man für die Story benötigt.
Snapchat ist persönlich, meistens mit Selfies, auch von den Reportern. Dadurch kommen die Reporter mit den Usern zusammen. Die maximale Standzeit von 24 Stunden bei Snapchat wird von Reportern und allen, die viel Herzblut in Ihren Beitrag gelegt haben, gefühlt als zu kurz empfunden.
Snap hält auch vereinzelt Einzug als digitales „Branded Content Format“ und ergänzt damit Formate wie Corporate Blogs, Kundenmagazine, Videos und Bildergalerien. Im Mediacube, einem kleineren Format auf der Media Convention, suchten viele Marketingmitarbeiter von Unternehmen nach Best-Practice-Beispielen anderer Unternehmen. Bislang sind vor allem Medienunternehmen (Bewegtbild und Audio) in diesem Feld aktiv.
Ein anderer für mich interessanter Beitrag war der der gecasteten Influencer-WG MJUNIK mit Luisa Lion, Lina Kottutz, Sophia Phiaka, Filiz Leyla und Roxi Strasser. Sie „erzählen“ ihr Leben auf allen aktuellen sozialen Kanälen wie Snapchat, Instagramm, Instalive usw. – und abends noch über eine Snap-Soap auf RTL 2. Auch wenn Sie natürlich nach außen hin werbewirksam positiv sein müssen, wirkte die Begeisterung für das eigene sehr transparente Leben authentisch.
Zusammenfassend kann man sagen: Snapchat ist auch für die Masse ein ernstzunehmendes Medium. Es ist erfolgreich, da es „gefühlt“ exklusiv, authentisch und persönlich ist.
Ausblick
Diese drei persönlichen Themenschwerpunkte sind nur ein Ausschnitt aus der Vielfalt der digitalen Medienentwicklung. Die Teilnehmer haben (fast) alle ein positives, beinahe schon euphorisches Bild von der Entwicklung der Medienbranche. Auch wenn es „Disturbien“ gibt, in denen Kontaktlinsen das Leben aufzeichnen und die Menschen von Maschinen kontrolliert werden.
In der Realität gibt es auch hier wieder generationsübergreifend eine mit positiver Spannung geladene Aufbruchsstimmung. Es gibt viel zu tun und zu lernen, aber die Branche ist und bleibt spannend.
Nächstes Jahr sind wir bestimmt wieder vor Ort: Es ist geplant, dass Studenten aus dem Studiengang Kommunikation & Medienmanagement dabei sind.