Neckermann ist zurück! Eine Schlagzeile, die in den letzten Wochen durchaus für Gesprächsstoff gesorgt hat. Neckermann verspricht günstige Reiseangebote, den besten Service und familienfreundliche Hotels, mit dem Fokus auf vier-Sterne-Niveau. Das war schon vor 60 Jahren so, als Josef Neckermann das Unternehmen gründete und soll heute auch wieder so werden. Doch da war doch was?! Nach der Pleite des Reiseveranstalters Thomas Cook im Jahr 2019 war auch die dazugehörige Marke Neckermann Reisen vom Markt verschwunden. Die türkische Konzern ANEX erwarb die Markenrechte von Neckermann und startet in diesem Jahr einen Comeback-Versuch der Traditionsmarke. Zu Beginn können bei Neckermann Reisen ca. 1.000 Hotels in den beliebten Urlaubsregionen Spanien, Griechenland, der Türkei und Ägypten gebucht werden. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen auch Bulgarien, Italien, Kroatien, Portugal und Tunesien folgen.
Was bei so einem Relaunch beachtet werden muss und welche Chancen die Marke im aktuellen Markt hat erklärt Max Hübner, Experte für Marketing- und Projektmanagement mit dem Schwerpunkt Tourismus & Hospitality und Dozent an der IST-Hochschule für Management im Master-Studiengang „Business Transformation Management“.
IST: Herr Hübner, was halten Sie vom Relaunch der Marke Neckermann?
Hübner: „Ich bin sehr optimistisch. Einige Akteure in der Tourismusbranche, sind der Meinung, die Marke sei seit der Insolvenz des britischen Konzerns Thomas Cook, der die Marke jahrelang geführt hatte, verbrannt. Ich sehe das anders, denn die Marke wurde damals bewusst ins Portfolio aufgenommen, um sich einen sicheren Verkaufspunkt für pauschale Reisepakete im deutschen Markt zu sichern. Die meisten Reisenden wussten auch schon damals nicht, zu welchem Konzern die Marke gehörte oder wie das Prinzip Markenführung in der Tourismusbranche überhaupt funktioniert. Als Konsument setzt man sich damit auch sehr wenig auseinander. Das Phänomen kann übrigens tagtäglich im Reisemarkt beobachtet werden, denn wer kennt als Laie den Unterschied zwischen einem Vermittlungsportal im Internet (Check24, Ab-In-Den-Urlaub etc.) und dem ausführenden Reiseveranstalter-Konzern, der ja wiederum auch mit unterschiedlichen Marken im Markt vertreten ist?“
IST: Glauben Sie, dass Neckermann es erfolgreich in den Markt zurückschaffen kann?
Hübner: „Auf jeden Fall. Bei so einem Relaunch sind die Konsumenten quasi gezwungen, sich mit der Marke auseinanderzusetzen, weil jeder etwas Individuelles mit Traditionsmarken assoziiert – das schafft Aufmerksamkeit und setzt somit automatisch gewünschte Marketingprozesse in Gang.“
IST: Wie interpretieren Sie die „Testphase“ von Neckermann?
Hübner: „Soweit ich es mitbekommen habe, hat der Konzern ANEX, der die Rechte nun innehat, gesponserte Artikel in Fachzeitschriften der Touristik veröffentlicht, in denen man vernehmen konnte, dass jemand für den Relaunch verantwortlich ist, der zuvor viele Jahre Reiseveranstalter-Produkte als Sparte von Discountern kreiert und gemanagt hat. Von daher, sehe ich einige Vermutungen von mir bereits jetzt bestätigt. Ich bin gespannt, wie man die ganze Sache im B2C-Markt, also an die Endverbraucher kommunizieren wird.“
IST: Was muss passieren, damit sich Neckermann gegen den Wettbewerb durchsetzen kann?
Hübner: „Der Endkunde muss „morgens aufstehen“ und Neckermann kennen, sobald er an eine Reise denkt. Beim Branding gilt vor allem die Doktrin „bedingungslose Kundenorientierung“. Der Betreiber der Marke muss also die emotionalen Bedürfnisse der Zielgruppe bedienen. Das funktioniert durch eine starke emotionale Markenpräsenz, die man wiederum mit einer allumfänglichen Platzierung erreicht (z.B. wie die Werbespots von Check24 oder aber durch eine gezielte Platzierung bei einer stark segmentierten Zielgruppe.“
IST: Wo sehen sie die Hauptzielgruppe der Marke und warum?
Hübner: „Es wäre für ein Interview zu umfangreich, diese Zielgruppe genau einzugrenzen. Ich sage an dieser Stelle sehr vorsichtig „ältere“ und traditionsbewusste Menschen, die die Marke noch verinnerlicht haben und in ihrer längeren Reisevergangenheit immer solide bis sehr gute Erfahrungen mit dem Anbieter gemacht haben. Aus dem Bauch heraus, würde ich vermuten, dass die Zielgruppe nicht so gerne „herumexperimentiert“, was nicht verwerflich ist. Stünde die Marke in Form einer Person vor mir so wäre Neckermann-Reisen der „klassische deutsche Jedermann“. Diese sogenannte Markenpersönlichkeit gilt es mit der Zielgruppe zu vereinen oder aber auf die Käufergruppe zuzuschneiden.“
IST: Wie muss sich eine Marke grundsätzlich aufstellen, um am Markt erfolgreich zu sein?
Hübner: „Das muss man sich so wie bei Tinder vorstellen – zwei Menschen mögen sich (erst einmal oberflächlich), also ergibt das ein „Match“, was nichts anderes bedeutet, als dass das Potenzial vorhanden ist, weitere Schritte einzugehen. Bei Angebot und Nachfrage, kann nun, wie beim Dating, eine Seite den ersten Schritt machen.“
IST: Was empfehlen Sie Unternehmen, die sich neu aufstellen wollen oder, wie Neckermann, einen Relaunch planen?
Hübner: „Zunächst sollten sich Unternehmen eingestehen, dass strategisches Branding nicht aus dem Bauch heraus passiert. Genauso wichtig ist es, für entsprechende Vorhaben zeitliche Kapazitäten im Betrieb zu schaffen. Da die Wahrnehmung einzelner Marken sehr subjektiv sein kann, müssen Betriebswirte möglichst viel Rationalität in das Thema bringen. Das geht meines Erachtens nur, wenn man als Manager betriebswirtschaftliche Zusammenhänge herstellen kann. Wo entstehen Kosten? Wie viel Aufwand bedeutet es einen Markt zielführend zu segmentieren? Sind meine Mitarbeiter in der Lage Social-Media-Content zu kreieren? Man kann die nachfolgende Empfehlung konservativ finden, aber ohne betriebliche Investitionen für die Strategieerstellung, das Management und die operative Durchführung, wird man bei diesem Thema keine großen Erfolge erwarten können. Unternehmen sollten hier auch nicht auf das Versprechen von findigen „Business-Coaches“ oder Agenturen hereinfallen, die sich das notwendige Wissen lediglich angelesen haben. Ich persönlich finde es besser, Verantwortliche zu benennen, die nachweislich über die höhere Qualifikation verfügen, hier zählt eine entsprechende betriebswirtschaftliche Qualifikation aus meiner Sicht noch sehr viel. Noch besser finde ich es, wenn Unternehmen in bereits loyale Mitarbeiter*innen investieren und ihnen ein entsprechender Studiengang bezahlt wird. Meine Erfahrung ist, dass gerade solche Master-Studiengänge, wie der Master Business Transformation Management an der IST-Hochschule – in dem ich auch selbst doziere – vom persönlichen Austausch (auch mit Menschen aus anderen Branchen) leben, und man viel „voneinander“ lernen kann.“
Ob und wie Neckermann Reisen sich wieder in den heutigen Markt eingliedern kann und ob die Marke das Vertrauen ihrer Kunden zurückgewinnen wird, bleibt abzuwarten. Wir sind gespannt, was die Zukunft bringt!
Weitere Informationen zum Master-Studiengang „Business Transformation Management“ finden Sie auf unserer Webseite. Studienstart ist jeweils im April und Oktober.