EMS: Fitnesstraining aus der Steckdose

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Kommt das Thema auf „EMS“, scheiden sich die Geister. Kaum ein anders Thema – abgesehen vielleicht von Ernährung – wird so ambivalent behandelt, wie das Training aus der Steckdose. Eines vorne weg: EMS ist kein neues Trainingsmittel, sondern genaugenommen schon ein (ur)alter Hut. Bereits vor über 2200 Jahren soll mit Hilfe von Zitteraalen und deren „Strom“ Krankheiten behandelt worden sein. Über die Therapieerfolge weiß man heute allerdings nicht mehr so viel.  Im 18. Jahrhundert wurde das medizinische Einsatzfeld dann u.a. vom italienischen Arzt GALVANI und anderen weiter erforscht. Mitte des letzten Jahrhunderts wurde EMS auch auf den Leistungssport ausgedehnt. So unterstützen z.B. Bodybuilder wie Mentzer (Mr. Universum von 1979) das Training mit EMS. Die Art der verwendeten Ströme hat sich aber im Laufe der Zeit bis heute verändert.

Bei EMS werden die Muskeln durch leichte Stromschläge stimuliert.
Bei EMS werden die Muskeln durch leichte Stromschläge stimuliert.

EMS steht für „Elektrische Myostimulation“, was eigentlich nichts anderes bedeutet, als dass ein Muskel durch ein spezifisches, elektrisches Signal (Strom) von außen zur Kontraktion gebracht wird. Neuro-physiologisch gesehen ist das auch möglich. Der Unterschied im künstlichen Reizen des Muskels durch Strom von außen, im Vergleich zum selbstvollzogenen Training ist, dass Verbesserungen insbesondere der Koordination (Körperwahrnehmung) hier eher nicht eintreten. Diese Umstände stellen Nachteile des EMS Trainings dar. Für den Muskel selbst macht es jedoch kaum einen Unterschied, sodass Körperformung durchaus auch mit EMS möglich ist. Ist jedoch Muskelwachstum das Ziel des Trainings, deuten einige Autoren an, dass die verwendeten Ströme dann so hoch sein müssten, dass diese in den Schmerzbereich gehen würden. Der Vorteil von EMS Training liegt auf der Hand: Einerseits ist die Kürze der Trainingseinheiten von 15-20 Minuten für Viele interessant, andererseits auch die Tatsache, dass dies häufig als weniger anstrengend empfunden wird. Die Maschine übernimmt schließlich die Aktivierung des Muskels und nicht das eigene Nervensystem. Um oben genannte Nachteile des EMS Trainings auszugleichen kombinieren mittlerweile die meisten Anbieter auf dem Markt die elektrische Stimulation mit herkömmlichen Übungen oder z.B. Hanteltraining. Das dynamische Training hat den Vorteil, dass auch die Koordination mitgeschult werden kann und dass auch z.B. sportartspezifische Bewegungen trainiert werden können. Die Verwendung von Zusatzgewicht bringt den Vorteil, dass höhere Muskelspannungen realisiert werden können und somit auch u.U. ein Muskeldickenwachstum ausgelöst werden kann.

Ist EMS effizient?

Die aktuelle Studienlage ist ambivalent. Der Sport aus der Steckdose wirkt – das scheint gesichert zu sein. Dennoch müssen die Zielstellungen (rehabilitativ, fitness- oder leistungsorientiert) und auch die jeweiligen Zielgruppen (Patienten, Otto-Normal-Bürger, Leistungssportler) berücksichtigt werden. Es scheint nämlich Unterschiede in den Anpassungen in Bezug auf die Zielgruppen: Anfänger und Fortgeschrittene zu geben.

Neue Studien deuten an, dass ein Krafttraining bei Athleten im Vergleich zu einem Krafttraining unter zusätzlicher Verwendung von Elektro-Stimulanz nahezu identische Verbesserungen an den Tag legt. Dies würde bedeuten, dass ein selbstdurchgeführtes Krafttraining offenbar einen höheren Anteil an der Entwicklung besitzt, als die zusätzlich verwendete Elektro-Stimulanz (Wirtz, Zinner, Doermann, Kleinoeder, Mester 2016). Anderseits zeigen Studien aber auch starke Verbesserungen durch EMS Training bei weniger trainierten Personen, wie Herzpatienten. Ein Studie aus 2010 zeigt z.B., dass ein 6 monatiges EMS-Training sowohl die maximale Sauerstoffaufnahme steigern, als auch signifikant den diastolischen Blutdruck bei Herzpatienten senken kann (Fritsche, Fruend, Schenk, Mellwig, Kleinoeder, Gummert, Horstkotte 2010). Man ist sich also noch nicht wirklich einig. Um ein wirklich belastbares Studienergebnis zu bekommen, müssen hier noch weitere Studien mit größeren Probandenpools und unterschiedlichen Zielrichtungen durchgeführt werden.

Welche Marktrelevanz hat EMS-Training?

Schaut man in den aktuellen Deloitte Branchenbericht von 2016 gewinnt man einerseits die Einsicht, dass die Gesamtfitnessbranche immer noch deutlich wächst (11,6%), zum anderen aber die sogenannten „special interest studios“ an Bedeutung zunehmen. Zu dieser Gruppe zählen auch die Anbieter für EMS-Training. Das Wachstum der „special interest studios“ beträgt sogar 16,2 % und liegt damit über dem Wachstum der übrigen Fitnessbranche. Das spiegelt sich auch am durchschnittlichen Monatspreis wieder, der mit knapp 11 Euro mehr signifikant über dem Branchenschnitt der Studio-Einzelbetriebe liegt. Den Besuchern der diesjährigen FIBO in Köln ist sicherlich auch der beeindruckende, hallenfüllende Messestand samt überdimensionaler Videowand eines namhaften Herstellers für EMS-Geräte in Erinnerung geblieben. Das zeigt, dass hier offenbar eine Menge Geld unterwegs ist.

Für wen eignet sich EMS-Training?

Viele Wege führen eben nach Rom! Fest steht jedoch, bevor man sich gar nicht sportlich betätigt, weil es die Zeit oder die Motivation nicht zulassen, sollte man zum Sport aus der Steckdose greifen. Denn der wirkt und so bleibt dem inneren Schweinehund keine Wahl! Ist man fortgeschritten, sollte man sich für einen Anbieter entscheiden, der EMS mit dynamischen Übungen kombiniert. Hier kommt es zu relevanten Trainingsvorteilen gegenüber EMS allein. Hat man einen leistungsorientierten Blickwinkel stellt EMS eher eine Ergänzung zum eigentlichen Training dar und sollte immer mit sportartspezifischen Bewegungsabläufen kombiniert werden. Bei jedoch allen Herangehensweisen gilt: Wirkliche Trainingserfolge werden nicht mit Wundermitteln oder aus der Komfortzone heraus erreicht, sondern bedeuten immer Arbeit und Umstellung. Das hört niemand gerne und lässt sich auch nicht gut verkaufen, entspricht aber den realen Tatsachen. In diesem Sinne: Packen Sie`s an!

Sascha Schrey ist Diplom-Sportwissenschaftler (Schwerpunkt „Prävention und Rehabilitation“) und Betrieblicher Gesundheitsmanager (IHK). Er verfügt über vielfältige Erfahrungen u.a. als Sporttherapeut, selbstständiger Personaltrainer und Ausbilder. Darüber hinaus war er in den letzten Jahren als Sales-Manager und geschäftsführender Clubleiter bei verschiedenen Fitnessclubs und -ketten tätig. An der IST Hochschule ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Konzeption und Lehrgangsentwicklung, sowie als Dozent tätig. Das Modul Personal Training betreut er zudem als Modulverantwortlicher.

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