Die soziale Verknüpfung von Ernährung und Psyche
Jede/n betrifft das Thema Ernährung und Psyche bis zu einem gewissen Grad. Unsere Gedanken, Gefühle und Eindrücke steuern unser Essverhalten täglich. Wir machen die Auswahl unserer Mahlzeiten abhängig von der Verfügbarkeit, der Länge unserer Pause bei der Arbeit und von unserem sozialen Umfeld. Auch unsere Emotionalität spielt eine große Rolle im Ernährungsalltag und bestimmt so die Lebensmittelwahl mit. Diese Tatsache führt dazu, dass Lebensmittel nicht mehr nur Nährstoffquelle sind, sondern zum Genussmittel werden. Mahlzeiten dienen so auch nicht ausschließlich der Aufnahme von Energie und Baustoffen, sondern bieten Raum für sozialen Austausch. Besonders deutlich wird dies bei gemeinsamen Mahlzeiten, die nicht nur dazu dienen gemeinsam zu essen, sondern auch die Gelegenheit geben, sich über Ereignisse und Pläne zu unterhalten. Diese soziale Komponente des Konsums macht eine eindimensionale Betrachtung des Essens unmöglich.
Das Resultat einer einseitigen Herangehensweise spüren viele von uns nach dem Scheitern eines Neujahrsvorsatzes. Das Bestreben nach einer „gesünderen“ Ernährung ist häufig mit dem Fokus auf die auszuschließenden Nahrungsmittel formuliert und berücksichtigt die etablierten Ernährungsgewohnheiten nicht. Sich der Verknüpfung von Ernährungsverhalten und Psyche bewusst zu werden, hilft dabei, Ziele konkreter zu benennen und langfristig an Vorsätzen festzuhalten.
Aber wie genau wird unsere Beziehung zu Lebensmitteln im Verlauf des Alters von inneren und äußeren Umständen geprägt? Und wie wird unsere Psyche dadurch beeinflusst?
Innere und äußere Ernährungsreize: Das „Drei-Komponenten-Modell“
Um die Verbindung von unseren Erfahrungswerten sowie von inneren und äußeren Reizen zu unserem Essverhalten zu veranschaulichen, kann das „Drei Komponenten Modell“ genutzt werden. Unser Ernährungsverhalten wird demnach in den unterschiedlichen Abschnitten unseres Lebens von unterschiedlichen Einflüssen gelenkt und dominiert.
Es übernehmen die Außenreize und später im Leben auch die Erfahrungen und Einstellungen. Mit „Außenreiz“ ist der Einfluss der Umwelt, also die familiäre Erziehung oder das familiäre Verhaltenstraining, der soziokulturelle Normendruck, aber auch das Aussehen einer Speise, die Werbung und vieles andere mehr gemeint. Die Erfahrungen und Einstellungen sind bewusste Lenkungen des Essverhaltens auf Grund von Lernprozessen. So kann nach der eigenen Erfahrung beurteilt werden, ob ein Nahrungsmittel dem eigenen Körper guttut oder Beschwerden verursacht und durch erlernte Muster werden Lebensmittel in „gut“ und „böse“ unterteilt.
Was unseren Ernährungsalltag prägt
Obwohl wir als Kind intuitiv unseren inneren Reizen folgen können, scheinen diese im Verlauf des Lebens zu schwinden. Das liegt vor allem daran, dass bereits früh unser Verhalten durch äußere Reize beeinflusst wird. Während wir im Kleinkindalter zunächst nur wenigen Außenreizen ausgesetzt sind, wie der Ernährung der Mutter in der Schwangerschaft oder der verfügbaren (Bei-)Kost als Säugling, werden wir mit zunehmendem Alter mit diversen Reizen konfrontiert. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Erziehung.
Besonders Regeln und Gewohnheiten rund um das Thema Essen, die früh implementiert werden halten sich lang und sind nur durch gezielte Übung abzulegen. Beispielsweise wird Kindern als Tischetikette das Tellerleeren vermittelt. Dabei wird mit unterschiedlichen Szenarien gedroht, wie zum Beispiel mit schlechtem Wetter, sollte der Teller nicht geleert werden. Oder es wird vorgeworfen, dass keine Dankbarkeit gezeigt wird für die vorhandenen Lebensmittel, während es anderswo auf der Welt mangelt. Es werden durch diese Muster Schuldgefühle vermittelt. Für viele ist dadurch das Leeren des Tellers besonders schwer umzulernen. So wird jedoch das Sattsein an die vorgegebene Portion gekoppelt, statt an das tatsächliche Sättigungsgefühl was dazu führen kann, dass zu viel gegessen wird. Das Verknüpfen des Sättigungsgefühls und der verfügbaren Portionsgröße ist besonders tückisch bei verpackten Lebensmitteln. Zum Beispiel hindert uns erst die leere Chipstüte, Schokoladenpackung oder Puddingbecher daran, weiter zu essen.
Auch familiäre Mahlzeitenrhythmen die als Kind gelernt werden, werden in den eigenen Alltag übernommen, sowie die Gewohnheit zu kochen, oder fertige Produkte vorzuziehen.
Aber nicht nur lebensmittelbezogene Gewohnheiten können unser Ernährungsverhalten langfristig prägen, sondern auch das gesellschaftliche Ideal der Körperform, mit dem wir aufwachsen. Dieses Ideal ändert sich regelmäßig und beeinflusst die individuelle Sicht auf den eigenen Körper. Besonders wenn die Ernährungsgewohnheiten mit dem angestrebten Ideal zu kollidieren scheinen, spüren wir Abneigung gegen uns, unser Verhalten und unseren Körper und versuchen, Vorsätze zu formulieren, die uns dabei helfen sollen, uns zu bessern. Dabei werden diese Vorsätze in der Regel ohne Rücksicht auf die automatisierten Gewohnheiten formuliert und letztendlich fallen wir zurück.
Diese Prägungen zu berücksichtigen ist jedoch essenziell für eine langfristige Ernährungsumstellung.
Die gesundheitliche Verknüpfung von Ernährung und Psyche
Viele kennen den Griff zur Schokolade bei Traurigkeit oder das Knallen der Sektkorken bei ganz besonderen Anlässen. Diese Verhaltensmuster unterstreichen nicht nur die soziale Komponente, sondern auch die direkte Verbindung unseres Ernährungsverhaltens zu unseren Gefühlen und unserer Psyche. In diesem Fall wird die Auswahl des Lebensmittels der Emotion unterstellt. Es konnte wissenschaftlich jedoch auch nachgewiesen werden, dass bestimmte Lebensmittel eine Auswirkung auf unser Gemüt und unsere Psyche haben.
Dies ist jedoch nicht immer positiv, und durch unsere Lebensmittelauswahl oder die Umgebungsbedingungen unserer Mahlzeit können Stress oder Depressionen ausgelöst werden. Während viele von uns wissen, dass ein hoher Konsum von raffiniertem Zucker das Risiko für Diabetes und Übergewicht erhöht, ist das Wissen um Lebensmittel, die die mentale Gesundheit beeinflussen noch gering. So kann das häufige Konsumieren von verarbeitetem, einfachen Zucker auch Depressionen und Angstzustände hervorrufen (Firth, Gangwisch, Borsini, Wootton, & Mayer, 2020). Zugrunde liegt hier das schnelle auf und ab des Blutzuckers, und die kompensierende Antwort des körpereigenen Systems durch Insulin, Adrenalin und Kortisol. Diese wiederkehrenden Stressantworten des Körpers vermittelt auch mentalen Stress. Die Folge können dann entsprechende mentale Erkrankungen sein(Gangwisch, et al., 2015).
Weitere Studien zeigten, dass Obst und Gemüse einen positiven Einfluss auf Parameter der mentalen Gesundheit haben und den Optimismus steigern können (Głąbska, Guzek, Barbara, & Gutkowska, 2020). Daraus ist zu schließen, dass die allgemeine Empfehlung für 5 Portionen Obst und Gemüse täglich (10 Regeln der DGE) vielseitige positive, vorbeugende Effekte hat.
Zudem konnte betätigt werden, dass eine ausgewogene Diät im Sinne der mediterranen Ernährungsweise einen vorbeugenden Effekt auf Depressionen haben kann. Diese Kostform sieht den Konsum von überwiegend Gemüse, Fisch und ungesättigten Ölen, wie zum Beispiel nativem Olivenöl, vor. Dem gegenüber stehen Lebensmittel, die die Symptome mentaler Krankheiten verstärken können, wie zum Beispiel Fleisch, Frittiertes oder Weißmehlprodukte (Firth, Gangwisch, Borsini, Wootton, & Mayer, 2020).
Fazit
Die Studienlage unterstreicht, dass das emotionale Essverhalten wechselseitig bedingt ist und sich Psyche und Ernährung gegenseitig beeinflussen. So ist nicht nur unsere Laune für unsere Lebensmittelwahl verantwortlich, sondern unsere Laune auch abhängig den verzehrten Mahlzeiten und Snacks.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass eine ausgewogene Ernährung nicht nur einen positiven Einfluss auf unsere Körperkonstitution hat, sondern auch unserer mentalen Gesundheit guttut. Für eine Veränderung der eigenen Ernährungsweise hin zu einer vielseitigen, gesunden Ernährung sind Vorsätze zu formulieren, die alle Aspekte einbeziehen. So können auch gesonderte Ziele für Familienfeste, bei denen häufig zu viel gegessen wird, gesetzt werden, indem das Setting mitbedacht wird. Wenn klar ist, dass bei solchen Festen zum Beispiel viel Kuchen gegessen wird, kann der Vorsatz lauten, von jedem nur wenig zu kosten oder bei einem Kuchen in angemessener Menge zu bleiben. So wird ein radikaler Ansatz verhindert, der eventuell „ich esse keine Süßigkeiten mehr“ gelautet hätte und bei dem Familienfest über Bord geworfen worden wäre.
Es kann also helfen, das eigene Verhalten zu beobachten und Auslöser für Automatismen festzustellen. Diese Informationen unterstützen dann dabei, Muster zu durchbrechen und eine ausgewogenere Ernährung zu etablieren. Auch durch Hilfe von außen, etwa durch ausgebildete Beratende können Gewohnheiten langfristig angepasst werden und ein zurückorientieren an unverfälschte Innenreize ist möglich.
Weiterbildungen im Bereich Ernährung
Wenn Sie sich für das Thema Ernährung und Psyche interessieren und mehr darüber lernen möchten wie die Ernährung unseren Körper beeinflusst, sind unsere Weiterbildungen im Bereich Ernährung das richtige für Sie. In den Weiterbildungen zum Ernährungsberater, Ernährungscoach oder vegetarisch-veganen Ernährungsberater erlernen Sie alle Grundlagen zu den Themen Ernährungspsychologie, Nährstoffbedarf, Verdauung und Stoffwechsel, Ernährung und Krankheiten sowie Ernährung und Sport. Die Weiterbildungen eignen sich für den Eigenbedarf, um das eigene Ernährungsverhalten zu optimieren oder um beruflich in der Ernährungsberatung Fuß zu fassen. Das Erlernen professioneller Ernährungscoachings und die Erstellung von Ernährungsplänen ist Teil der Weiterbildungen.
Literaturverzeichnis
Firth, J., Gangwisch, J. E., Borsini, A., Wootton, R. E., & Mayer, E. A. (Juni 2020). Food and mood: how do diet and nutrition affect mental wellbeing? Food for Thought.
Gangwisch, J. E., Hale, L., Garcia, L., Malaspina, D., Opler, M. G., Payne, M. E., . . . Lane, D. (August 2015). High glycemic index diet as a risk factor for depression: analyses from the Women’s Health Initiative. The American Journal of Clinical Nutrition.
Głąbska, D., Guzek, D., B. G., & Gutkowska, K. (January 2020). Fruit and Vegetable Intake and Mental Health in Adults: A Systematic Review. Nutrients.