Fußball-Athletiktraining made by FC Bayern

6794
Neu am IST: Die Weiterbildung Fußball-Athletiktraining.
Neu am IST: Die Weiterbildung Fußball-Athletiktraining.

Bekannt geworden ist das auf Fußballer zugeschnittene Athletiktraining 2006 durch Jürgen Klinsmann, der mit Fitnessguru Mark Verstegen einen eigens für dieses Thema zuständigen Coach in den Trainerstab des DFB berief. Ansätze, die Athletik von Fußballern gezielt zu verbessern, gibt es schon erheblich länger, Vorbilder in anderen Sportarten schon seit Jahrzehnten. Heute ist Fußball-Athletiktraining selbstverständlich geworden. Auch am IST, wo im April erstmals die gleichnamige sechsmonatige Weiterbildung startet. Im Interview erzählt IST-Dozentin Simone Schubert, warum Athletiktraining nicht mehr aus dem Fußball wegzudenken ist, wie sie selbst vom FC Bayern zum IST gekommen ist und was ein Fußball-Athletiktrainer von Haus aus für Eigenschaften mitbringen sollte.

IST: Wir beim IST werden im kommenden Jahr im Bereich Fußball-Athletiktraining einen neuen Kurs an den Start bringen. Sie haben hier intensiv in der Erstellung der Inhalte mitgewirkt und werden als Dozentin im Kurs Ihr Wissen weitergeben. Können Sie uns einen groben Überblick über Ihren Werdegang geben?

Simone Schubert: Ich habe Sportwissenschaft mit Schwerpunkt Leistungssport in München studiert und währenddessen bereits verschiedene Einblicke in die Praxis bekommen. Ich konnte bereits damals die Abläufe und Arbeitsweise innerhalb Nachwuchsleistungszentren und in Profibereichen von Fußball-Bundesligisten kennenlernen. Aber ich hatte auch die Möglichkeit, mit diversen Kadern der deutschen Skisprung-Nationalmannschaft zu trainieren, auf der ATP-Tour zu arbeiten oder Erfahrungen in der Rehabilitation von Leistungssportlern zu sammeln. Mein Studium schloss ich mit meiner Diplomarbeit bei der U23 des FC Bayern München zum Thema Belastungsgestaltung und Trainingssteuerung ab. Anschließend war ich zehn Jahre lang vorwiegend für die Bundesliga-Frauenmannschaft des FC Bayern München im Bereich Athletik und Rehabilitation zuständig und durfte dort mit einer Vielzahl an Nationalspielern arbeiten und auch den ein oder anderen Erfolg mit ihnen feiern.

IST: Was haben Sie denn im vergangenen Jahr, nach Ihrer Zeit beim FC Bayern gemacht?

Simone Schubert: Die Arbeit mit einer Bundesliga-Mannschaft ist sehr intensiv und es bleibt wenig Zeit für Weiterbildung oder die Gelegenheit, mal über den Tellerrand zu blicken. Daher habe ich nach der Saison 2016/17 beschlossen, bei unterschiedlichen europäischen Fußballvereinen sowohl in Nachwuchsleistungszentren, als auch in den jeweiligen Profibereichen zu hospitieren. Ich konnte mich z.B. mit den Kollegen bei Borussia Dortmund, der TSG Hoffenheim, Werder Bremen, dem FC Basel oder FC Augsburg intensiv austauschen und interessante Einblicke gewinnen. Zudem wollte ich mein Fachwissen durch Weiterbildungen, beispielsweise bei EXOS und Perform Better, vertiefen und durch neueste sportwissenschaftliche Erkenntnisse erweitern. Parallel dazu habe ich dann begonnen, internationale Tennisprofis im Bereich Athletik zu betreuen. Sämtliche Erfahrungen aus diesen Bereichen sind in die Erstellung der Skripte für das IST mit eingeflossen, die ich ebenfalls in dieser Zeit zusammen mit Prof. Dr. Freiwald erstellt habe.

IST: Das Thema Weiterbildung ist also auch für Sie wichtig. Haben Sie weitere Sachen geplant?

Simone Schubert: Auf jeden Fall. Vor kurzem hatte ich z.B. die Möglichkeit, beim Lehrgang des U19 Perspektivkaders des DFB zu hospitieren und somit auch Einblicke in die Arbeit beim Verband zu bekommen. Ich besuche regelmäßig Veranstaltungen wie den Functional Training Summit oder entsprechende Fachtagungen und Konferenzen. Je umfassender unser Wissen ist, desto individueller und spezifischer können wir auf die Stärken und Schwächen unserer Spieler eingehen. Das sollte immer unser Anspruch sein!

IST: Wie sieht Ihr aktuelles Tätigkeitsfeld aus?

Simone Schubert: Neben meiner Dozenten-Tätigkeit beim IST arbeite ich sowohl mit internationalen Tennisprofis als auch mit deutschen Fußballnationalspieler-/innen und betreue sie als Athletiktrainer an der Akademie, auf Turnieren oder Lehrgängen.

IST: Der Kurs greift sowohl diagnostische Inhalte wie auch das Training auf dem Platz auf. Wie würden Sie die Aufgaben eines Athletiktrainers im Fußball definieren?

Simone Schubert: Letzten Endes geht es um eine möglichst langfristig angelegte Zusammenarbeit mit dem Fokus auf Leistungsaufbau, -optimierung oder -erhaltung. Alter und Leistungsniveau bestimmen dabei die Schwerpunktsetzung. Das Ziel ist es, sämtliche Komponenten der Athletik im entsprechenden Maße so zu trainieren, dass jeder Spieler in der Lage ist, seine maximale fußballspezifische Leistungsfähigkeit regelmäßig abrufen zu können. Dies beinhaltet das Durchführen und Auswerten von Leistungsdiagnostiken zur individuellen Trainingssteuerung, die Trainingsplanung in Abhängigkeit des Wettkampfkalenders sowie die Durchführung individueller oder kollektiver Trainingsmaßnahmen.

IST: Welche Rolle spielt eigentlich die Athletik im heutigen Fußball?

Simone Schubert: Was hilft einem Spieler die beste Ballbehandlung, wenn er nicht in der Lage ist, diese über die volle Spielzeit abrufen zu können? Wenn er beim Tempodribbling regelmäßig überlaufen wird oder generell häufig verletzt ist? Die Athletik hat sich mittlerweile als wichtiger Bestandteil des Fußballspiels etabliert. Die Fähigkeit, maximale Sprints oder explosive Antritte wiederholt und bis zum Abpfiff abrufen zu können, entscheidet nicht selten über Sieg oder Niederlage. Wenn die Athletik also Teil des Fußballspiels ist, sollte das Athletiktraining folglich auch Teil des Fußballtrainings sein. Denn sie gilt als Mittel zum Zweck, um fußballspezifische Ziele zu erreichen.

IST: Wie sehen Sie die Notwendigkeit einer fußballspezifischen Ausbildung im Athletikbereich?

Simone Schubert: Im Gegensatz zu anderen Nationen ist in Deutschland bislang keine Zertifizierung für Athletiktrainer im Fußball erforderlich. Das ist mehr als bedauerlich, da oftmals die Qualität in der langfristigen Leistungsentwicklung darunter leidet. Aktuell wird das Thema Belastungssteuerung häufig für Erfolg oder Nichterfolg einer Mannschaft angeführt. Aber wie viel Belastung ist nötig – wie viel möglich? Warum haben Mannschaften im Fußball in englischen Wochen so oft Probleme, ihre Leistung regelmäßig abzurufen, während beispielsweise Tennisspieler teilweise täglich auf höchstem Level performen? Können bestimmte Verletzungen im Fußball vermieden werden? Viele Fragen, auf die ein Athletiktrainer im Fußball eine Antwort kennen sollte!

IST: Was sollte man als Athletiktrainer mitbringen um im Fußball Erfolg zu haben?

Simone Schubert: In erster Linie Wissen und Teamfähigkeit. Der Athletiktrainer ist Teil des Trainerteams und unterstützt die Mannschaft in der Umsetzung ihrer Spielphilosophie. Kommunikationsfähigkeit ist dabei ein ebenso wichtiges Kriterium. Denn Ziel ist es nicht den Spieler zu trainieren, sondern mit dem Spieler zu trainieren. Eine Trainingseinheit dauert durchschnittlich zwei bis vier Stunden pro Tag. Die verbleibenden 20 bis 22 Stunden haben dabei häufig einen ebenso großen Einfluss auf die Spieler. Die richtige Ernährung, gute Regenerationsstrategien oder Schlafgewohnheiten fördern ebenso die Leistungsfähigkeit und wirken als Verletzungsprophylaxe wie eine positive Reizsetzung im Training selbst. Daher liegt es auch in der Verantwortung des Athletiktrainers, Spieler für ein professionelles Verhalten auf, aber auch abseits des Fußballplatzes zu sensibilisieren.

IST: Was würden Sie jemandem empfehlen, der gerne im Bereich Fußball-Athletiktraining tätig werden möchte?

Simone Schubert: Ich empfehle eine fundierte und breitgefächerte Ausbildung mit möglichst viel praktischer Erfahrung zu ergänzen. Letztendlich muss jeder Athletiktrainer seine eigene Philosophie finden. Regelmäßige Weiterbildungen fördern dabei seine Flexibilität innerhalb seines Konzeptes.

IST: Wir sehen bei unseren Interessenten natürlich nicht nur diejenigen die speziell als Athletiktrainer/in arbeiten wollen, sondern natürlich auch Cheftrainer und Co-Trainer die im Amateur- oder auch Leistungsfußball ihr Wissen im Athletikbereich ausbauen wollen. Wie sehen Sie den Kurs als Ergänzung zu den klassischen Trainerlizenzen?

Simone Schubert: Ich kann mich nur wiederholen: Wissen ist Macht! Dies gilt auf allen Leistungsebenen! Im Amateurbereich ist es oftmals nicht möglich, einen Athletiktrainer als Spezialisten zu beschäftigen. Dennoch möchte jeder ambitionierte Fußballtrainer sein Konzept und seine Ziele bestmöglich umsetzen. Aufgrund der Gegebenheiten müssen Chef- und Co-Trainer oder Physiotherapeuten die Aufgaben eines Athletiktrainers mit übernehmen. Aber selbst wenn ich einen Spezialisten im Athletikbereich zur Verfügung habe, ist es wichtig, die Rolle und Aufgaben des Athletiktrainers zu verstehen, um mit ihm maximal erfolgreich zusammenarbeiten zu können. Nochmal: Die Athletik ist Teil des Fußballs und ein Fußballtraining sollte entsprechend gestaltet werden. Hier ist das komplette Trainerteam gefordert!

IST: Der Kurs setzt auf unsere klassischen Lernmethoden und vereint somit den Blended-Learning Ansatz. Neben den theoretischen Lehrheften, wird es auch eine konkrete Zusammenstellung von Übungen, sowie zwei Präsenzphasen und begleitende Videodateien geben. Wie schätzen Sie diese Form des Lernens ein, um sich als Athletiktrainer fortzubilden?

Simone Schubert: Ich halte dies für die bestmögliche Art, sein Wissen zu erweitern. Die Theorie bildet die Basis, die Praxis veranschaulicht und vertieft dies. Zudem bieten die Präsenzphasen den Studierenden die Möglichkeit, im direkten Gespräch mit dem Dozenten individuelle Fragen zu klären oder bereits erworbene Erfahrungen untereinander auszutauschen.

IST: Wie schätzen Sie die Entwicklung im Fußball-Athletiktraining ein? Wohin geht die Reise?

Simone Schubert: Als Jürgen Klinsmann in der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft 2006 mit Mark Verstegen erstmals einen Athletiktrainer im deutschen Fußball etabliert hatte, war die Akzeptanz der breiten Masse zum damaligen Zeitpunkt noch sehr gering. Der berühmte „Entengang“ bei Maßnahmen der deutschen Fußballnationalmannschaft wurde beispielsweise sehr belächelt. Mittlerweile sind Miniband-Drills eine gängige Methode hinsichtlich der Leistungsoptimierung und Verletzungsprophylaxe! Ich bin überzeugt, dass diese Tendenz weitergehen wird! Es wird neue Trends geben und jede Mannschaft wird versuchen, sich weiterhin Vorteile aus der athletischen Entwicklung zu verschaffen. Und solange Spieler wie Ronaldo oder Mbappé den Unterschied machen und physisch robuste Mannschaften wie z.B. Atlético Madrid erfolgreich sind, wird die Athletik im Fußball ein mitentscheidender Faktor sein und künftig auch bleiben.

Simone Schubert ist langjährige Athletik- und Rehatrainerin des FC Bayern München. Sie arbeitet als Dozentin am IST-Studieninstitut in der Weiterbildung "Fußball-Athletiktraining". Hier gibt sie ihre Expertise an die Studenten weiter.

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here