Samstagmorgen. Der sonst so akkurat für Klausuren bestuhlte Schulungsraum 6 der IST-Zentrale in Düsseldorf sieht heute so anders aus. Wo sonst streng symmetrische Stuhlreihen auf die Prüfungsleistungen der Studierenden warten, steht heute ein schlichter Stuhlkreis, sonst nichts. Keine Prüfungshilfsmittel, keine grünen IST-Kugelschreiber, nichts. Fast erinnert Raum 6 an einen Gemeinderaum einer evangelischen Kirche.
Ich weiß genau, dass heute hier keine Prüfung stattfinden wird. Ich weiß, dass ich nicht zittern muss, ob ich mich irgendwie durch glückliche Zustände durch die Wirtschaftsmathematikprüfung mogeln kann. Und doch bin ich aufgeregt. Sehr sogar. Die Schweißperlen auf meiner Stirn sprechen Bände. An diesem Samstagmorgen hat Prof. Dr. Thomas Merz zur Kick-off-Veranstaltung des neu aufgelegten Mentoringprogramms für IST-Hochschulstudierende geladen.
Vorausgegangen war ein Auswahlprozess, bei dem ich mir keinerlei Chancen ausrechnete. Warum? Gleich aus mehreren Gründen. Zum einen gehöre ich mit 36 Jahren eher zu den Oldtimern an der Hochschule. Zum anderen bin ich – zumindest selbst gefühlt – nicht mit dem größten Selbstvertrauen ausgestattet. Das Auswahlprocedere sah eine Videobewerbung vor (die dümpelt noch irgendwo auf YouTube rum: https://youtu.be/bQvUvTN1P-0). Mit dem Gefühl, mich kaum gegen jüngere und vielleicht seitens ihrer Vita vielversprechendere Kommilitonen durchsetzen zu können, war ich wirklich überrascht, als ich im November 2018 die Einladung zu einem ganztägigen Auswahlverfahren beim Partner des Mentoringprogramms Kienbaum Consulting erhielt.
Ich möchte aus dem Auswahlverfahren nicht „spoilern“, kann aber nur so viel sagen, dass es mir persönlich viel gebracht hat. Persönliche Stärken und Entwicklungsfelder wurden mir klar benannt. Allein schon dieses Assessment wäre ein Gewinn für meine weitere studentische und berufliche Karriere gewesen. Als der Anruf der IST-Hochschule nach einigen Tagen eintraf und mir nach Auswertung von Kienbaum das Auswahlverfahren positiv beschieden wurde, war ich perplex. Ich hätte mir selbst nicht zugetraut, mich erfolgreich in der Runde von ganz wunderbar talentierten Kommilitonen bis zur endgültigen Auswahl durchzusetzen.
Immer mehr Personen kommen jetzt in diesen Raum mit dem so hochschuluntypisch anmutenden Stuhlkreis. Studenten, Kommilitonen, Frauen und Männer in Anzug, einige jünger, einige etwas erfahrener. Bekannte Gesichter mischen sich unter die Mentees und Mentoren: die Präsidentin der IST-Hochschule, Frau Dr. Katrin Gessner-Ulrich, der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Viersen, Thomas Jablonski, sowie Ulrich Goldschmidt, der als Vorstandsvorsitzender für den Berufsverband DFK („Die Führungskräfte“) tätig ist. Irgendwo unter diesen fast dreißig Personen sitzt also mein zukünftiger Mentor.
Begrüßung, Reden, ein Impulsreferat. Und dann kommt also der große Moment, auf den sowohl Mentoren als auch Mentees so sehnsüchtig warten. Prof Dr. Thomas Merz, der das IST-Mentoring initiiert hat, stellt die Mentoren-Mentee-Tandems, wie sie liebevoll genannt werden, vor. Wie ein Gameshowmaster liest er nur einige Schlagworte über den Mentor, dann über den Mentee. Als dann „Geschäftsführer der ‚Grünen Hölle‘ (das ist der Spitzname der Nordschleifenstrecke des Nürburgrings)“ fällt, hoffe ich schon, dass mein Name fallen könnte. Was gäbe es für einen Studenten des Studiengangs „Sportbusiness Management“ spannenderes, als solch eine geschichtsträchtige Location im Motorsport? Insbesondere, weil ich mir als Freund der Sportarten, die sich eher am medialen Rand befinden, eine Sportart fernab des Platzhirsches Fußball erhofft hatte. Und siehe da: das Stichwort „Mann und 36 Jahre alt“ fällt und wenig später mein Name.
Da ist er also, mein Mentor: Mirco Markfort, Geschäftsführer der Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG und somit Chef der „Grünen Hölle“. Ich bekomme wenig von den anderen Tandems mit, denn mein Kopf arbeitet schon. Die ersten Fragen formieren sich. Nachrichtliche Bruchstücke fügen sich im Kopf zusammen. War der Nürburgring nicht mal insolvent? Steht da nicht eine Achterbahn an der Grand-Prix-Strecke, die niemals gefahren ist?
Fotos werden geschossen. Dann ist es endlich soweit. Die Tandems dürfen sich untereinander frei austauschen. Nachdem die Vitae ausgetauscht sind, werden erste Ideen zur Gestaltung des Mentoring-Jahres formuliert. Mirco bietet mir das „Du“ an und schon sind wir mitten im Gespräch. Die Fragen sprudeln nur so aus mir heraus und mir wird schon im ersten Gespräch klar, dass das Jahr Mentoring eines nicht wird: langweilig. Bemerkenswert empfand ich, dass sowohl Mentor als auch ich in meiner Mentee-Rolle gleich eine Erwartungshaltung formulieren konnten. Herr Markfort, nein, Mirco, wünscht sich Eigeninitiative des Mentees, ich wiederum möchte sehr viel von dem aufschnappen, was mir im Studium bislang fehlte, vor allem Dingen betriebliche Best-Practice sowie wie eigentlich Personalführung in der Praxis aussieht. Visitenkarten werden ausgetauscht, ein erster Termin vor Ort vereinbart. Dann werde ich in die Motorsportwelt eintauchen können, die in der Eifel gleichsam eine lange Tradition und modernes, professionelles Sportstättenmanagement vereint.