Knapp zwei Drittel der Deutschen sehen nachhaltigen Tourismus als neuen Urlaubstrend, hingegen haben bisher nur 17 Prozent einen nachhaltigen Urlaub gebucht. Zeigen sich hier erste Einflüsse aktueller Themen? Und wie reist man überhaupt verantwortungsbewusst und ohne schlechtes Gewissen?
Umdenken bei der Bevölkerung – nur nicht überall!
Die steigende Zahl an Umweltkatastrophen, wie die Waldbrände in Kalifornien im Herbst 2018 und der Super-Taifun Manghkut im September vergangenen Jahres auf den Philippinen, verursachten milliardenschwere Schäden und forderten etliche Tote. Verheerend waren auch die Feuer in Australien. Die dortigen Waldbrände, die sich vor allem im Südosten des Landes ausbreiteten, zerstörten eine Fläche von rund 180.000 Quadratkilometern. Dies entspricht in etwa der Hälfte Deutschlands. Wie der Vorstand von WWF Deutschland mitteilte, sei in Australien mehr Land verbrannt als bei den Feuern in Kalifornien und dem brasilianischen Amazonasgebiet zusammen. Nach einer Hochrechnung des WWF starben aufgrund der Brände 1,25 Milliarden Tiere. Doch damit nicht genug. Die Flora und Fauna der Region wurde so stark zerstört, dass die Natur darunter noch Jahrzehnte leiden wird. Außerdem beschleunigen sie aufgrund der entlassenen CO2 -Gase den Klimawandel – ein Teufelskreis.
Nachdem das Inferno endlich im Griff war, sorgte heftiger Dauerregen für Überflutungen. Zwar ist der Nordosten des Commonwealth-Staates aufgrund seiner geografischen Lage den Tropen zuzuordnen und deshalb an sich regenreich, doch überstiegen die ermittelten Niederschlagsmengen den Durchschnitt um ein Vielfaches. Die vom nationalen Forschungsinstitut und der Meteorologischen Anstalt vorgenommenen Prognosen zeichnen darüber hinaus ein düsteres Bild: Zukünftig sollen die Buschfeuer früher beginnen und später enden.
Dennoch ist ein Einlenken von Kritikern und einigen Politikern und somit eine Anerkennung der menschengemachten Klimakrise noch immer nicht zu verzeichnen.
Tourismus als zweischneidiges Schwert
Diese Naturkatastrophen scheinen aber ein Umdenken in der Bevölkerung auszulösen. Streiks der Fridays-for-Future-Bewegung erregten weltweit Aufmerksamkeit. Der Begriff Nachhaltigkeit ist in aller Munde, und die Tourismusbranche wird immer wieder mit Blick auf den CO2– Ausstoß scharf kritisiert.
Erst die weltweite Corona-Pandemie setzte dem Kreuzfahrt-Boom ein jähes Ende und lähmte das seit den 1960er Jahren konsequent steigende Fluggastaufkommen und den globalen Flugverkehr. Trotz der Krise sollen die Touristenzahlen weiterhin von 2013 1,1 Milliarden Menschen auf geschätzte 1,8 Milliarden Menschen bis 2030 steigen. Technologische Entwicklungen und die Globalisierung erlauben uns heute, fast jeden Ort auf der Welt schnell und kostengünstig zu erreichen. Das fördert natürlich den Massentourismus.
Touristen verursachen mit acht Prozent einen vergleichsweise geringen Anteil an den Treibhausgasen, die den Klimawandel begünstigen, obwohl laut UNWTO (United Nations World Tourism Organization) bis zur Corona-Pandemie jeder dritte Urlaub weltweit per Flugzeug unternommen wurde.
Für viele Regionen ist der Tourismus längst notwendiger Bestandteil der Volkswirtschaft und bringt nicht nur Schattenseiten mit sich. Der Tourismus schafft Arbeitsplätze, sorgt für einen Ausbau der Infrastruktur, fördert den Kulturaustausch und verbessert die Bildungschancen der Einheimischen. Er kann so indirekt sogar die Regierung eines Landes stabilisieren. Darüber hinaus sorgt die touristische Nachfrage dafür, unberührte Landschaften zu erhalten und zu schützen, indem beispielsweise Strände gesäubert werden, Müll getrennt wird und Tierarten dank Wildreservaten vor dem Aussterben bewahrt werden.
Nachhaltiger Tourismus – ein Phänomen unserer Zeit?
Diskussionen über den Widerspruch zwischen Reisen und Naturschutz sind nichts Neues. Bereits im Jahr 1880 kritisierte Ernst Rudorff, der als Begründer der Heimat- und Naturschutz-Bewegung gilt, am Tourismus „den fatalen Beigeschmack der Geschäftsmäßigkeit“.
Seit über 30 Jahren existiert die Idee des nachhaltigen Tourismus, welcher auch als „Sanfter Tourismus“, „Intelligenter Tourismus“ oder als „Tourismus mit Verantwortung“ bezeichnet wird. 1992 definierte die UNWTO den Begriff folgendermaßen: „Nachhaltiger Tourismus erfüllt nicht nur die Ansprüche der Touristen und lokalen Bevölkerung in den Zielgebieten, sondern trägt auch dazu bei, zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten zu sichern und zu verbessern. Ressourcen werden so genutzt, dass ökonomische, soziale und ästhetische Bedürfnisse befriedigt werden und gleichzeitig die kulturelle Integrität, wesentliche ökologische Prozesse, die biologische Vielfalt und lebenswichtige Systeme als Lebensgrundlagen erhalten werden.“
Vereinfacht kann also gesagt werden, dass nachhaltiger Tourismus geschaffen wurde, um die schädlichen Seiten des Tourismus abzumildern, den Naturschutz auszubauen, die lokale Kultur zu erhalten und zu stärken sowie dafür zu sorgen, dass die Gewinne im Land bleiben.
Sanften Tourismus einfacher erkennen
Siegel sorgen dafür, dass Reisende nachhaltige Tourismus-Angebote einfacher erkennen. Besonders bekannt ist das CSR-Tourism-Certified-Siegel, verliehen durch einen unabhängigen Zertifizierungsrat der Organisation TourCert. Im „Forum anders reisen“ haben sich 130 Reiseveranstalter zusammengeschlossen, die sich für ihr verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln, Umweltschutz und einen respektvollen Umgang mit der Landesbevölkerung einsetzen. Die Mitglieder verpflichten sich zu nachhaltigem Tourismus, der langfristig ökologisch tragbar, auf ethischer und sozialer Ebene gerecht für örtliche Gemeinschaften und dessen Umsetzung wirtschaftlich realisierbar ist.
Denn es gilt die drei Zieldimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales, die im ständigen Zielkonflikt zueinanderstehen und sich permanent gegenseitig beeinflussen, zu einem gesamtstrategischen Management der Destination zu vereinbaren – ohne dass dieses Drei-Säulen-Modell in ein Ungleichgewicht fällt.
Verreisen mit Blick auf die Umwelt – Reiseinspirationen
Einen Urlaub nachhaltig zu planen, stellt eine große Herausforderung im Zeitalter von City-Trips mit Billigairlines und der Normalität des Fliegens dar. Dennoch gibt es wunderbare Möglichkeiten, den eigenen ökologischen Fußabdruck nicht unnötig auszudehnen.
Nicht nur Deutschland lässt sich prima und meist kostengünstig dank spezieller Angebote per Zug erkunden, auch die Schweiz und die osteuropäischen Regionen wie das Baltikum lassen sich auf Schienen entdecken. Dabei fängt die möglichst klimaneutrale Tour an der eigenen Haustür mit der Wahl von öffentlichen Verkehrsmitteln an und setzt sich idealerweise mit der Auswahl entsprechender Hotels und Unterkünfte, die ihren Beherbergungsbetrieb nachhaltig ausrichten, fort.
Durch sein Handeln vor Ort trägt der Gast ebenfalls einen nicht unerheblichen Anteil zur Nachhaltigkeitsbilanz seines Erholungsaufenthalts bei. Den eigenen Wasserverbrauch so gering wie möglich zu halten, statt eines Mietwagens im Urlaubsland auf das Angebot des Öffentlichen Nahverkehrs zurückzugreifen und im Restaurant durch angemessenes Verhalten für weniger Lebensmittelabfälle zur sorgen, sind nur ausgewählte Beispiele.
Lokale Anbieter nutzen
Einen großen Unterschied macht hierbei außerdem die Entscheidung, statt über ein deutsches oder international agierendes Touristikunternehmen direkt beim regionalen Anbieter zu buchen und somit dem Devisenabfluss ins Ausland entgegenzuwirken. So sollten privat geführte Pensionen oder Hotels in Familienhand bevorzugt gewählt werden. Erfreulicherweise lieben wir Deutschen weiterhin den Urlaub im eigenen Land. Und die als besonders umweltfreundlich zertifizierten Regionen gehören zu den schönsten des Landes. Beispielhaft sind die autofreie Insel Juist, der Naturpark Schwarzwald und Biosphärenreservate wie das Berchtesgadener Land, die Schwäbische Alb und die Rhön.
Gerade nach den drastischen Einbrüchen der Gästezahlen im Frühjahr trägt jede Buchungsentscheidung eines Urlaubers zum Überleben kleiner Tourismusbetriebe bei und unterstützt eine Branche, die mit am stärksten unter den Pandemieauswirkungen leidet.
Zur Unternehmensphilosophie nachhaltiger Reiseveranstalter wie beispielsweise „Travel-to-nature“ und „Studiosus Reisen“ gehört es, Umweltbelastungen durch die unternehmerische Tätigkeit so gering wie möglich zu halten, Reisenden stets zu ermöglichen, entstandene Emissionen auszugleichen und neben dem Naturerlebnis auch den Naturschutz und den respektvollen Umgang mit Mensch und Kultur groß zu schreiben. Viele weitere Eindrücke und spannend aufbereitete Reiseberichte, die nachhaltige Urlaubsreisen thematisieren, bieten unter anderem die Blogs Funkloch, Reisezeilen und Good Travel. In ihren Beiträgen verdeutlichen die Autoren, dass Nachhaltigkeit auf Reisen keinen Verzicht bedeutet.
Umweltbewusstsein und Reisefieber vereinen
Sollte das Fernweh zu stark und ein Flug oder eine Hochseekreuzfahrt zum Erreichen des Traumziels notwendig sein, kann man heutzutage das eigene Gewissen dank Ausgleichszahlungen für verursachte Treibhausgasemissionen beruhigen. Non-profit-Organisationen wie atmosfair oder die Stiftung myclimate haben es sich zur Aufgabe gemacht, Plattformen zu kreieren, über die Urlauber ihren persönlichen ökologischen Fußabdruck für ausgeführte Reisen und mehr berechnen können und die aus der Kompensation generierten Zahlungen für gemeinnützige Projekte und Klimaschutz-Aktionen zu nutzen. Der Anbieter greenmiles beispielsweise sorgt dafür, dass die geleisteten Gelder für sauberes Trinkwasser in Uganda, den Ausbau eines Windparks in Sri Lanka und solarthermische Anlagen in Südafrika verwendet werden. So können zwar die klimaschädlichen Emissionen nicht widerrufen, aber zumindest das persönliche Schuldbewusstsein reduziert und das Geld für sinnvolle Zwecke genutzt werden.
Nachhaltigkeitsbefürwortern wird gerne vorgeworfen, ein unrealistisches Bild zu zeichnen, denn die Entscheidungen des Einzelnen würden keine Veränderungen hervorbringen. Doch es ist eben genau diese leichte Einstellung, an der wir alle Tag für Tag arbeiten sollten, um unsere Bequemlichkeit über Bord zu werfen und unserer Verantwortung für nachfolgende Generationen gerecht zu werden.
Sie sind neugierig geworden und wünschen sich weitere Einblicke in den Themenbereich „Nachhaltiger Tourismus“? Dank unserer Weiterbildung „Nachhaltiger Tourismus“ werden Sie innerhalb von vier Monaten zum Experten.