Jedes Jahr wieder lesen wir die Fragen von unsicheren Besitzern, ob denn jetzt nach dem Anweiden auch noch eine Hufrehe auftreten kann oder wie viel andere Rehepferde auf die Weide dürfen. Oder von Besitzern, die erstaunt sind, dass ihr Pferd trotz vorsichtigem minutenweisem Anweiden eine Hufrehe bekommen hat.
Das langsame Anweiden ermöglicht es dem Verdauungssystem, sich an das neue Futter zu gewöhnen, schützt aber nicht vor Hufrehe. Natürlich kann bei schneller Futterumstellung und einem daraus resultierenden massenhaften Absterben der Darmbakterien eine Hufrehe ausgelöst werden, was ich durch ein schonendes Anweiden verhindere. Allerdings ist das in den meisten Fällen gar nicht die Ursache einer Hufrehe.
Nach Schätzungen von Experten ist bei mehr als 80 bis 90 Prozent der Hufrehefälle eine Stoffwechselerkrankung die Ursache und die Rehe nur ein Symptom von vielen. Leidet ein Pferd beispielsweise an einem Equinen Metabolischen Syndrom (EMS), kann die Aufnahme von Zucker und Stärke und die dadurch ausgelöste erhöhte Insulinausschüttung zu einer Hufrehe führen. Gras, gerade zu der Hauptwachstumszeit (bis Juli), enthält oft viel Zucker. An den Zucker kann ich das Pferd auch nicht durch das Anweiden gewöhnen. Sondern viel mehr triggere ich immer wieder die Insulinausschüttung – der Blutzuckerspiegel geht hoch und ich fördere so eine Insulindysregulation, wenn mein Pferd die Veranlagung dazu hat. Die hohen Insulinwerte führen schon lange bevor klinische Anzeichen auffallen zu pathologischen Veränderungen im Huf, die irgendwann zu einer sehr schmerzhaften offensichtlichen Hufrehe werden können. Das gute ist: Es gibt Anzeichen, die eine Prävention ermöglichen! Wir sollten uns daher bewusst sein, dass in den meisten Fällen schon deutlich früher warnende Hinweise an den Pferden zu beobachten sind. Also bitte haltet eure Pferde im Auge und reagiert frühzeitig.
Auch in diesem Jahr gibt es schon viele Hufrehefälle. Viele davon wären vermeidbar gewesen, wenn wir uns nicht in falscher Sicherheit fühlen, weil wir zum Beispiel sehr langsam anweiden. Obwohl natürlich leider nicht nur im Gras viel Zucker stecken kann, sondern ebenso in Obst, Gemüse, Kräutern, Mischfutter und im Heu. Auch von Heu allein kann der Stoffwechsel entgleisen. Es kommt darauf an, was drinsteckt und wie gut der Stoffwechsel meines Pferdes eingestellt ist.
Wenn mein Pferd insulinresistent ist, Haltung, Fütterung und Training angepasst sind, kann es vielleicht auch wieder auf die Wiese, selbst wenn es mal einen Reheschub hatte.
Pferde mit offensichtlichen Zeichen einer Stoffwechselstörung haben ein sehr hohes Risiko einer Entgleisung und somit einer Hufrehe und sollten zucker- und stärkearm gefüttert werden. Diese offensichtlichen Anzeichen sollten Pferdehalter und Pferdemanager ernst nehmen.
Eine weitere Möglichkeit zur Risikoeinschätzung ist die Blutuntersuchung, im Speziellen: Glukose und Insulin. Diese Werte sollten nach den neusten Erkenntnissen aus den USA nicht nüchtern genommen werden. Das Pferd sollte am besten die vergangenen zwölf Stunden Zugang zu zuckerarmem (!) Futter haben. Das Blut sollte innerhalb von zwei Stunden abzentrifugiert und möglichst schnell gekühlt ins Labor gebracht werden. Nur dann sind die Werte aussagekräftig. Wenn man dann die Werte hat, kann man die G:I-Ratio berechnen, also Glukose im Vergleich zu Insulin im Blut. Die ECIR Group bietet auf ihrer Seite einen Rechner an. Dort müssen die Werte unter Berücksichtigung der Einheiten nur eingetragen werden – und man bekommt eine Idee zu der aktuellen Stoffwechsellage.
Dr. Kellon empfiehlt, dass Pferde mit einer Insulindysregulation erst wieder auf die Weide sollten, wenn man keine Anzeichen einer metabolischen Entgleisung mehr feststellen kann.
Und wie immer gilt: Jedes Pferd ist anders, jedes Individuum reagiert individuell und ich als Besitzer bin in der Verantwortung, bestmöglich für die Gesundheit meines Tieres zu sorgen!
Hufrehe – Vorzeichen erkennen (EMS)
- Fettdepots an Hals, Schulter, Kruppe, Bauch
- Geschwollene/ tränende Augen
- Geschwollene/s Schlauchtasche / Euter
- Antriebslosigkeit
- Fühligkeit
- Ringe in der Hufwand
- Dünne Sohlen, geringe Strahlfurchentiefe
- Häufige Hufgeschwüre
- Leberüberlastung
- Ausbleichen des Fells in der Sonne
Es gibt natürlich noch mehr Anzeichen. Und es treten nicht unbedingt alle gemeinsam auf. Auch wenn ein Pferd ein Anzeichen hat, heißt es natürlich nicht direkt, dass es eine Hufrehe hat. Wichtig: Achtsam bleiben!
Mehr dazu gibt es in diesem Video.