Pferdekommunikation

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Was sagt mir mein Pferd und warum weiß ich nichts davon?

Welcher Pferdemensch träumt nicht davon, mit seinem tierischen Partner unbeschwert über die Stoppelfelder zu galoppieren? Leider sieht die Realität für viele Reiter/-innen ganz anders aus. Das Reiten auf dem freien Feld wird oftmals zur Gefahr, weil das Pferd sich nicht mehr kontrollieren lässt. Schwere Unfälle können die Folge sein. Doch wo liegt eigentlich das Problem? Um dies zu ergründen, starten wir einen kurzen Blick in die Welt der Pferde.

Die Natur der Pferde

Pferde nehmen die Welt anders wahr als wir Menschen. Es sind Fluchttiere, die im Herdenverband durch die Wildnis streifen, um Gras zu sich zu nehmen. Allein mit einem anderen Wesen auf dem Rücken über die Felder zu galoppieren, liegt nicht in der Natur des Pferdes. Sich dabei jederzeit kontrollieren und anhalten zu lassen auch nicht.

Wünschen wir uns einen pferdegerechten und wohlwollenden Umgang mit dem Pferd, liegt es an uns, seine Signale und somit die Körpersprache des Tieres richtig zu deuten. Das ist in der Theorie sehr einfach, in der Praxis oft schwierig.

Signale in der Pferdesprache

Pferdekommunikation_Frau beobachtet Signale des Pferdes
Abbildung 1: Subtile Signale der Pferdekommunikation sind z. B. dass das Pferd den Kopf hoch hebt und die Ohren nach hinten zeigen. Copyright: Sabine Angemeer.

Zu diesen subtilen Signalen der Pferdekommunikation zählen das Spiel der Ohren, der Körper spannt sich an und der Kopf wird hochgenommen (siehe Abbildung 1). Das Pferd reagiert nicht mehr sensibel auf die reiterlichen Hilfen. Der Mensch überhört jedoch all diese kleinen Zeichen des Tieres. Es ruft: “Das wird mir zu viel! Wir sind zu weit von der Herde und dem Hof entfernt! Das ist hier nicht sicher!”

Gegenseitiges Verständnis

Der Schlüssel zum Erfolg ist immer das gegenseitige Verständnis. Um die Tiere besser zu verstehen, versuchen Sie sich in seine Perspektive hineinzuversetzen (die Natur der Pferde) oder machen Sie es andersherum und stellen sich eine Situation zwischen Menschen vor: ein Kleinkind wirft sich im Supermarkt plötzlich auf den Boden und schreit aus Leibeskräften. Die Erwachsenen verhalten sich hilflos und stehen vielleicht peinlich berührt daneben und fragen sich, wie es so weit kommen konnte. In der Regel haben die Erwachsenen all die vielen kleinen Signale des Kindes überhört “Mama! Papa! Schau mal! MAAAMA!!”

Ähnlich sieht die Situation bei dem “plötzlichen” Durchgehen unseres Pferdes aus. Wir haben es schlichtweg vorher nicht gehört. Das sollten wir ändern und unserem Pferd besser zuhören. Für ein vertrauensvolles Miteinander. Für einen respektvolles Verhalten und für mehr Sicherheit beim Umgang mit dem Pferd.

Lerntheorien

Oft kommt es zusätzlich (aus mangelndem Wissen über das Lernverhalten des Pferdes) noch zur ungewollten weiteren Verstärkung des problematischen Verhaltens. Der Mensch kommuniziert dem Pferd also (unabsichtlich): “Ja, genauso. Bitte mehr davon!”. Wie passiert das? Wenn Sie beispielsweise über die Einwirkung am Zügel versuchen, das Pferd zu verlangsamen, das Pferd aber im selben Tempo bleibt oder gar schneller wird und Sie dem Druck am Zügel dann nachgeben. Nun wird ihr Pferd zukünftig verstärkt mit einem gleichbleibenden oder gesteigerten Tempo auf die (eigentlich zum Verlangsamen gedachte) Zügelhilfe reagieren. Beschreiben lässt sich diese Form des Lernens mit der operanten Konditionierung, in diesem Fall konkret mit der negativen Verstärkung.

Aber auch die klassische Konditionierung lohnt sich in diesem Fall zu kennen. Hier wird eine Assoziation mit dem Reiz “Stoppelfeld” und der Reaktion “Galoppieren” hergestellt. Reiten Sie Ihr Pferd mehrfach im Galopp über ein Stoppelfeld, kann die Folge sein, dass Ihr Pferd schon beim Anblick der weiten Fläche wie wild auf der Stelle springt. Eine häufige Interpretation ist dann, dass das Pferd sich freut und gerne laufen möchte. Dies ist aber häufig gar nicht der Grund, sondern das Pferd hat gelernt (!) sich so zu verhalten.

Praxistipps für die Pferdekommunikation

Pferdekommunikation_Frau galoppiert mit Pferd über Stoppelfeld
Abbildung 2: Eine gute Pferdekommunikation spiegelt sich u.a. in einem ruhigen Galopp auf einem Stoppelfeld wider. Copyright: Sabine Angemeer.

Um das Durchgehen von Pferden im Gelände und speziell auf einem Stoppelfeld zu verhindern, sollte als Basis sichergestellt sein, dass Ihr Pferd sich auf dem heimischen Reitplatz gut in allen drei Grundgangarten kontrollieren lässt. Wenn Sie dann den ersten Ritt auf einem Feld planen, reiten Sie zusammen mit einem zweiten ruhigen und verlässlichen Pferd. Nutzen Sie das Stoppelfeld vielseitig. Machen Sie Führübungen vom Boden aus, reiten Sie Bahnfiguren im Schritt und Trab oder einzelne Lektionen. Wechseln Sie immer nur dann in die höhere Gangart, wenn das Pferd fein an den Hilfen steht. Reiten Sie in einem stets gut kontrollierbaren Tempo (siehe Abbildung 2).

Pferdekommunikation_Frau sitzt auf Pferd
Abbildung 3: Zur richtigen Pferdekommunikation gehört auch die vollständige Entspannung des Pferdes. Copyright: Sabine Angemeer.

Überprüfen Sie immer wieder die halben und ganzen Paraden. Können Sie Ihr Pferd jederzeit durchparieren? Wenn Sie sich zu einem gestreckten Galopp entscheiden, reiten Sie danach immer noch einmal im Schritt über das Feld, bis das Pferd vollständig entspannt ist (siehe Abbildung 3). Und gestalten Sie den Ritt auf dem Stoppelfeld jedes Mal etwas anders, um zu vermeiden, dass das Pferd beim Anblick GALLOP assoziiert. Mit diesen Tipps können Sie die Zeit auf dem Stoppelfeld mit Ihrem tierischen Partner sicher und voller Freude genießen!

Dieser Artikel beschreibt nur ein Beispiel von unzähligen aus dem Bereich der Kommunikation mit Pferden. Hören wir richtig zu und kommunizieren wir bewusst mit den Tieren, wird das Training leicht und sicher! Sie wollen mehr über die Pferdesprache und Kommunikation dieser wunderbaren Tiere wissen und sich zum Pferdeverhaltenstrainer ausbilden lassen? Informieren Sie sich jetzt über die Weiterbildung am IST-Studieninstitut.

Für die beiden Pferdeverhaltenstrainerinnen Sabine Angemeer und Lara Wielgomas ist das Training von Pferden mehr Berufung als Beruf. Sie lieben Pferde. Mit viel Leidenschaft übersetzen sie den Menschen die Sprache der Pferde und vermitteln ihr Wissen anschaulich an vielen spannenden Praxisbeispielen. Immer im Fokus haben sie dabei den fairen und wohlwollenden Umgang mit diesen faszinierenden Tieren. Verständlich und mit viel Spaß geben sie ihr Wissen an interessierte Pferdemenschen, aus jeder Sparte der Reiterei, weiter. Sabine leitet den Bewegungsstall auf Gut Scheidt und Lara ist mit ihrer Plattform Pferdetraining Online selbstständig.

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