Rasenballsport Leipzig spaltet: Der diesjährige Zweitligaaufsteiger aus Sachsen trennt aufgrund seines Sponsors Red Bull die gesamte Fußballgemeinde in Befürworter und Gegner, was leider oft zu wüsten Beschimpfungen und Anfeindungen führt. Doch was bedeutet der Einstieg von Red Bull in Leipzig für den deutschen Fußball? Ist RB Leipzig wirklich die „Brut des Bösen“, wie es viele Traditionalisten sehen? Und vor allem: Was ist die marketingtechnische Strategie des vermeintlichen neuen Mitgliedes des Bundesliga-Establishments? Allen diesen Fragen möchte ich mich in meinem folgenden Blogeintrag widmen. Auf die Idee dazu bin ich durch die fortwährende Diskussion in ganz Fußballdeutschland über die Art und Weise des Aufstiegs der Sachsen, insbesondere nach Erreichen der Bundesliga in diesem Jahr, gekommen.
Red Bull und die Formel 1
Zuallererst sollten wir uns aber einmal überlegen, wie alles anfing. Der österreichische Brausehersteller Red Bull war schon immer ein Unterstützer des Sports, zunächst insbesondere im Fun- und Extremsportsegment, aber spätestens durch den Einstieg in die Formel 1 und die herausragenden Erfolge von Sebastian Vettel und Red Bull Racing trat das Unternehmen als Sponsor in die ganz große Öffentlichkeit. Red Bull wurde automatisch mit Erfolg verknüpft, was sich auch im Image widerspiegelte. Kopf des Ganzen ist Firmenchef Dietrich Mateschitz. Doch König Fußball fehlte lange Zeit im Portfolio von Red Bull. Dies änderte sich durch den Kauf der Mehrheitsanteile von Austria Salzburg und der Gründung des FC Red Bull Salzburg im Jahr 2005. Es folgte der Aufbau eines weltweiten Fußballnetzes und die Etablierung eines Standorts in New York mit dem dortigen Verein New York Red Bulls. Zudem errichteten die Österreicher eine Jugendakademie in Ghana und gründeten in der brasilianischen Stadt Campinas den Verein Red Bull Brasil. Doch schließlich fehlte ein Verein in einer der Topligen, doch welcher Standort sollte es hier werden? Neben aussichtsreichen Standorten wie Düsseldorf fiel schließlich die Wahl auf Leipzig.
Standortvorteil Leipzig
Besonders attraktiv macht Leipzig seine geografische Lage. In den neuen Bundesländern gab und gibt es – vom Sonderfall Hertha BSC Berlin mal abgesehen – keinen dauerhaften Erstligisten. Das Fan- und Interessentenpotenzial ist für RB Leipzig wie gemalt. Zwar gibt es natürlich einige Zweit- und Drittligisten, doch an die Strahlkraft eines Bundesligisten, der eventuell auch noch attraktiven und erfolgreichen Fußball spielt, kommen diese Klubs nicht heran. Somit beanspruchen die Leipziger Macher ein Einzugsgebiet mit einem Umkreis von rund 300 Kilometern, in dem sie das Nonplusultra im Fußball sind – ein nicht zu unterschätzendes Argument, wenn man das entsprechend große Fanpotenzial sieht. Zudem spricht für die Marke Red Bull ein jugendliches, erfolgreiches und zugleich qualitativ hochwertiges Image, besonders unter den jüngeren Zielgruppen. Aber dieses Bild wirkt nicht nur auf die Fans, sondern auch auf Spieler, Medien und andere Sponsoren. Red Bull ist „in“. Und genau diese Reputation des Konzerns lässt sich auch auf den Verein RB Leipzig übertragen.
Architekt Rangnick
Aber nicht nur imagetechnisch setzt der Verein neue Maßstäbe – auch die Jugendarbeit profitiert davon. Denn nach der Etablierung des Standorts ging die Führung direkt dazu über, ein Nachwuchszentrum zu errichten. Die Heranwachsenden können so direkt mit der Spielidee von Red Bull nach Art von Taktikfuchs und Sportdirektor Ralf Rangnick geimpft werden. Der Grundpfeiler dessen ist das frühe Pressen und schnelle Ballerobern. Diese Art zu agieren ist allerdings nicht nur in Leipzig, sondern an sämtlichen Standorten der Bullen Philosophie – ein weiterer Baustein der Identitätsbildung und des attraktiven Auftretens. Zudem leistet der Verein in und um Leipzig viele soziale Engagements und versucht so seinen Teil zur Entwicklung der Region und zur Unterstützung Hilfsbedürftiger beizutragen. Alle diese Aspekte tragen zur grundsätzlich positiven Wertung der Marke und somit des Vereins innerhalb der Stadt – aber auch unter den objektiven Fußballfans – bei.
Transferbinnenmarkt
Doch was den roten Bullen immer wieder Kritik einbringt – und zwar nicht aus dem Lager der Traditionalisten, sondern aus der allgemeinen Fußballbranche – ist das Transferkonstrukt der Österreicher. Durch den angesprochenen weltweiten Aufbau von Vereinen versuchen die Macher, die besten Akteure weltweit zu scouten, für sich zu gewinnen und auszubilden, damit diese adäquates Spielermaterial für die Profiteams darstellen. Doch neben dieser Art der Rekrutierung nutzen die Vereine untereinander dieses Konstrukt, um an Spieler zu gelangen, die sonst nicht direkt nach Salzburg, Leipzig oder New York wechseln würden. Dies geschah zum Beispiel bei den Transfers von Naby Keïta oder Bernardo, die im Sommer aus der Mozartstadt nach Sachsen wechselten. Zudem kam es dazu, dass RBL Spieler kaufte, die eigentlich nicht bei Salzburg gelandet wären, aber über den „Umweg“ Leipzig dann doch zum FC Red Bull kamen. Hierfür hagelt es mächtig Kritik von allen Seiten. Aber auch Spieler kritisieren dieses Vorgehen. So warf der von Salzburg zum FC Augsburg gewechselte Martin Hinteregger RBL vor, durch die ständigen Transfers Red Bull Salzburg zu ruinieren.
RB Leipzig will Paroli bieten
Der deutsche Fußball wiederum könnte von den Plänen der Leipziger sehr profitieren. Zum einen bietet sich national die Chance, einen Verein zu etablieren, der den Kreis der Topteams aufmischen und auch den Bayern Paroli bieten könnte. Denn durch die dominierende Stellung der Münchner verliert die Bundesliga ihren Reiz, da die für den Sport so wichtige Ergebnisoffenheit durch die finanzielle und sportliche Lage des FC Bayern geschmälert wird. RB Leipzig könnte hier mit Dortmund wieder etwas Schwung bringen. Aber auch auf internationaler Ebene könnte die Bundesliga profitieren, denn eine attraktive Spielweise, gepaart mit dem Image von Red Bull, könnte zu Mehreinnahmen im TV-Sektor der Auslandsvermarktung führen. Durch Erfolge der Bullen in internationalen Wettbewerben könnte die Bundesliga in der Fünfjahreswertung der UEFA weiter an Boden gewinnen. Außerdem kann der Verein durch die internationale Bekanntheit der Marke Red Bull immer mehr Fans aus anderen Ländern gewinnen, was unter dem Strich ebenfalls zu einer Verbesserung der Liga im globalen Vergleich führt.
Wunschdenken von Fans
RB Leipzig wird auch in Zukunft spalten und die Gemüter der Fußballszene aufheizen. Aber diese Leidenschaft wollen wir doch alle auch im mitunter sehr steril gewordenen Fußball. Die Leipziger haben es geschafft, durch ein einheitliches Auftreten und die Verbindung von Marke und Verein einen Durchmarsch bis in die Beletage des deutschen Fußballs zu schaffen. Doch hierbei müssen sie meiner Meinung nach aufpassen, nicht durch das Transferwirrwarr innerhalb ihrer Vereinskonstruktion an Glaubwürdigkeit und Ansehen zu verlieren, denn den Respekt müssen sich auch die Bullen erst einmal verdienen. Doch Kritikern, die gebetsmühlenartig von Traditionsklubs sprechen muss bewusst sein, dass dies nur Wunschdenken ist. Vereine, die sich nur auf ihre Tradition berufen und nicht die Zeichen der Zeit erkannt haben, werden über kurz oder lang die Bundesliga nur noch im TV erleben. Denn Tradition und Kommerz schließen sich meiner Meinung nach nicht aus und ein Klub mit einer großen Vereinshistorie, der die modernen Strukturen des Fußballs verinnerlicht hat, besitzt eine ganze Reihe an Pluspunkten, um im Haifischbecken Bundesliga zu überleben, was wiederum zu einer noch größeren Spannung und Dramatik führt. Und ist es nicht das, was alle Fußballfans wollen – Herzschlagmeisterschaften und packende Duelle?
Übrigens: Marketingkonzepte, Faneinflüsse auf Klubstrategien und alles rund ums Thema Sponsoring sind auch Inhalte des Bachelor-Studiengangs „Sportbusiness Management“.