Kann ein internationales Unternehmen heutzutage ohne Social-Media-Kommunikation funktionieren? Bzw. warum sollte man dieses effektive Marketing-Tool überhaupt infrage stellen? Handmade Cosmetics Unternehmen LUSH hat den Nutzen von Social Media für dich hinterfragt und eine Antwort gefunden. Seit dem 26. November 2021 sind die Plattformen Facebook, Instagram, Snapchat und TikTok der Marke so gut wie leergeräumt. Alles, was Nutzer:innen auf den LUSH-Accounts noch finden, ist die Aufforderung „Sei woanders“ mit einer Verlinkung auf die Anti-Social Media Grundsätze des Unternehmens.
LUSH im Seminar „Marken- und Produktmanagement“
Mit dem Vortrag „Wer A sagt muss auch B sagen? – Warum der Rückzug von Facebook & Co. für LUSH ein logischer Schritt war“, hat Strategy Lead Deutschand Tanja Hofmann auf dem OMR Festival 2022 in Hamburg ein Statement gesetzt, das neben den vielseitigen Social-Media-Erfolgsgeschichten, einen anderen gangbaren Weg aufzeigt. Der Seminartag im Modul „Marken- und Produktmanagement“ unter Leitung von Prof. Dr. Matthias Johannes Bauer, hat den IST-Studierenden des Master-Studiengangs „Kommunikationsmanagement“ die Chance gegeben, sich ausführlich mit der Marketing-Expertin über dieses Thema zu unterhalten.
Eine Historie starker Entscheidungen
Auf den ersten Blick wirkt die Entscheidung, dass LUSH sich von allen Social-Media-Kanälen entfernt hat, drastisch. Nach einem kurzen Exkurs in die Geschichte des Unternehmens, ist diese Maßnahme jedoch nachvollziehbar. Denn seit der Gründung in 1995 zeichnet sich das familiengeführte Unternehmen nicht nur durch überwiegend innovative, handgemachte Produkte aus, sondern auch durch konsequente Entscheidungen, die auf ein erklärtes Ziel einzahlen: „Leaving the world lusher than we found it.“
Einer moralischen Überzeugung scheint bei LUSH immer eine klare, teils drastische Handlung zu folgen. So spendet das Unternehmen beispielsweise seit 2007 die Einnahmen aus ihrer beliebtesten Bodylotion vollständig an Grassroots-Organisationen, um gesellschaftliche Probleme von der Wurzel an zu bekämpfen. Sie kämpfen mit Nachdruck für Tierschutz, was sich nicht nur darin zeigt, dass die Produkte der Marke mindestens vegetarisch, hauptsächlich vegan und immer tierversuchsfrei sind. Seit 2012 unterstützt LUSH mit dem Lush Prize – einem weltweiten 250.000 Pfund Preisfond – Initiativen für alternative Testmethoden ohne Tierversuche. Auch bei der Verpackungsmüll-Problematik setzt LUSH neue Maßstäbe. Alle Produkte, die es erlauben, gehen komplett unverpackt in den Handel. Sämtliche Produktverpackungen von Cremes und Lotionen, die dies nicht zulassen, können retourniert werden. Aus den alten Verpackungen werden anschließend neue Gussformen und Pötte hergestellt, so wird Closed-Loop-Recycling realisiert.
Der Social-Media-Ausstieg als logische Konsequenz
Auf Grundlage dieser Unternehmensgeschichte, war die Entscheidung zum Ausstieg aus den genannten sozialen Medien also beinahe zu erwarten. Denn schon seit 2016 weist LUSH aktiv auf die Gefahren hin, die von Social Media ausgehen. Besonders scharf kritisiert das Unternehmen dabei den Einfluss sozialer Medien auf die Gesellschaft als Ganzes und die Auswirkungen, die die Funktionsweisen der Algorithmen hinter den Plattformen nachgewiesenermaßen auf die mentale Gesundheit der Nutzer:innen haben können. Frau Hoffmann fasst die Entscheidung eindrucksvoll mit der Aussage zusammen, „dass wir auch keine Filiale in einer dunklen Ecke eröffnen würden, in die wir unsere Kund:innen nicht locken wollen“.
Nach dem Ausstieg
Natürlich nimmt LUSH mit dem Ausstieg aus den sozialen Netzwerken potenzielle Sichtbarkeit und damit Umsatzeinbußen in Kauf. Eine Entscheidung, die durchaus auch auf Kritik von anderen Marktakteuren gestoßen ist. Doch das Unternehmen setzt erfolgreich auf andere Kommunikationsstrategien und konnte damit bisher den Kritikern trotzen, die das finanzielle Risiko für unverantwortlich hielten. Das Unternehmen konzentriert sich nun auf einige wenige ausgewählte Themen in der Kommunikation verstärkt sein Newsletter-Marketing sowie Partnerschaften mit anderen Unternehmen. Vor allem aber setzt LUSH auf eine seiner größten Stärken – den Ausbau persönlicher Beziehungen und Netzwerke durch guten Service, persönliche Beratung und einprägsame Kauferlebnisse in den Läden.
„Wir haben es jetzt einfach mal gemacht.“
Frau Hofmann beendet unsere Diskussion mit dem Fazit: „Wir haben es jetzt einfach mal gemacht.“ Zur Unternehmensphilosophie gehöre aber, sich flexibel einer verändernden Faktenlage anzupassen. Sollten sich die sozialen Medien aus Sicht des Unternehmens zum Positiven wandeln, sei eine Rückkehr auf die Plattformen nicht ausgeschlossen. Für mich als Studentin im Bereich Kommunikation ist die Case Study LUSH augenöffnend. Denn gegenwärtige Literatur zur digitalen Kommunikation vermittelt häufig den Eindruck, dass ein Unternehmen ohne Präsenz in den gängigen sozialen Medien nicht überleben kann. Dass insbesondere ein internationales Unternehmen einen derart drastischen Schritt wagt, zeigt, was unter den richtigen Bedingungen und mit geeigneten alternativen Kommunikationsstrategien möglich ist.
Die Seminartage bieten den IST-Studierenden die Möglichkeit, sich mit Experten aus der Branche zu vernetzen, wichtige Kontakte mit potenziellen Arbeitgebern zu knüpfen und aktuelle Trends kennenzulernen. Weitere Informationen zum praxisnahen Master-Studiengang „Kommunikationsmanagement“ gibt es auf der Webseite der IST-Hochschule.