Zukunft E-Mobilität: die falsch verstandene Fitness

2703
E-Roller
E-Roller sind auf ihrem Weg jetzt auch in Deutschland angekommen.

Zukunft E-Mobilität? Trotz dieses Trends wird Deutschland immer träger. Denn laut Weltgesundheitsorganisation sollten pro Woche mindestens 150 Minuten in moderate oder 75 Minuten in intensive Bewegung investiert werden. Wie eine Untersuchung aus 2018 aber zeigt, sieht die Realität anders aus. Im vergangenen Jahr kamen nur noch 43 Prozent dieser Forderung nach. 2010 waren es noch 60 Prozent.

Jede Zeit bringt ihre eigenen Werte mit sich. Heute zählen für viele Menschen Fitness, gesundheitsorientiertes Verhalten, Nachhaltigkeit und Achtsamkeit dazu. Und – spätestens seit Fridays for future und der vergangenen Europawahl – auch umweltbewusstes Handeln und der schonende Umgang mit Ressourcen. Was das mit der Zukunft und E-Mobilität zu tun hat? Jede Menge.

Viele Städte und Kommunen denken auf Grund des Klimawandels darüber nach, den Straßenverkehr und den öffentlichen Personennahverkehr zu verändern. Mögliche Ansatzpunkte sind neben Dieselfahrverboten auch Angebote für Elektroautos und E-Bikes sowie die Bereitstellung von elektronischen Scootern, die überdimensionierten Tretrollern ähneln. In Köln beispielsweise werden seit kurzem E-Scooter von Firmen angeboten. Für viele kam die Zulassung dieser Scooter überraschend und voreilig, es wurden nur die Vorteile gesehen. Ursprünglich versprach man sich durch die E-Mobilität eine Entlastung der Straßen, weil man der Meinung war, dass hierdurch mehr Personen auf diese Angebote umschwenken und das Auto zu Hause stehen lassen. Oft werden unter dem Begriff „Zukunft E-Mobilität“ gerade E-Bikes und E-Scooter eingesetzt, um Straßen und Umwelt zu entlasten und so auch die Fitness der Nutzer zu verbessern.

Zukunft E-Mobilität hat nicht nur Vorteile

Das wachsende Angebot an Elektrorollern und E-Bikes mag fraglich erscheinen. Nicht nur in Bezug auf den ökologischen Gedanken, sondern auch aus sportwissenschaftlicher Sicht. Unsere Gesellschaft zeichnet sich durch ein hohes Maß an Zivilisationskrankheiten aus. Hierzu zählen unter anderem Erkrankungen des Stoffwechsels, wie Diabetes und Adipositas, orthopädische Probleme wie Rückenschmerz, aber auch Erkrankungen des kardiovaskulären Systems.

Welche Möglichkeiten gibt es, gegen oben genannte Erkrankungen vor zu gehen? Neben einer guten medizinischen Versorgung im Akutfall durch ärztliche und krankengymnastische Therapie und eventuell auch eine entsprechende Medikation, liegt das Hauptaugenmerk vor allem auf der Prävention – also der Vermeidung der Erkrankung. Hier sind die klassischen Inhalte von Bewegung gefragt, zum Beispiel zielgerichtetes Herzkreislauftraining, welches individuell angepasst und mehrmals wöchentlich durchgeführt werden sollte. Hinzu kommt ein individuelles, zielgerichtetes Krafttraining. Beide Ansätze setzen jedoch voraus, dass der trainierende aus eigenem Antrieb gegen äußere Widerstände arbeitet, sie überwindet und somit auch biologische Anpassungen (Verbesserungen) erreicht.

Sind hier E-Scooter und E-Bike der richtige Ansatz? Trend E-Bike: Hier ist es so, dass es entweder wie ein normales Fahrrad genutzt wird, der E-Motor nur unterstützend arbeitet oder das Fahrrad vollständig angetrieben wird. Bei gewissen Zielgruppen, die zum Beispiel aufgrund ihrer mangelnden Leistungsfähigkeit oder ihres hohen Alters sehr eingeschränkt sind, mag das zugegebenermaßen sehr sinnvoll sein. Bei jüngeren und normal leistungsfähigen Menschen hingegen ist eine Tretunterstützung sportwissenschaftlich und langfristig betrachtet eher kontraproduktiv. Muskulatur – wozu auch der Herzmuskel zählt –, die regelmäßig genutzt wird, bleibt erhalten. Was wir vernachlässigen, geht verloren: „Use it, or lose it“. Der Trainingseffekt und die Kalorienbilanz fallen also schlechter aus, da bei der E-Mobilität Motor und Strom aus dem Akku diese Arbeit übernehmen.

Spaßmobil mit Risiken

Und wie sieht es mit dem Elektro-Scooter aus? Hier sieht die Bewegungsbilanz noch schlechter aus! Was die Technologie angeht, fahren Elektro-Scooter fast ausschließlich über Elektromotor. Ein gesundheitsförderlicher Effekt ist wahrscheinlich nicht vorhanden. In wie weit diese den öffentlichen Personennahverkehr oder den Straßenverkehr entlasten kann von Wirtschaft und Politik nicht beantwortet werden. Eigene Erfahrungen im Kölner Stadtgebiet vom einem August-Wochenende zeigen jedoch, dass die Nutzer dieser Scooter diese eher als Spaßmobil verwenden und damit ungebremst durch Fußgängerzonen brausen, ohne auf Fußgänger, Kleinkinder, Senioren oder Menschen mit Behinderung Rücksicht zu nehmen. Behindertenverbände fordern bezüglich der Zukunft E-Mobilität eine deutliche Reglementierung oder gar Abschaffung von E-Scootern in Stadtgebieten. So hat es alleine in Köln bis Ende Juli 21 Verletzte durch E-Scooter gegeben, darunter sieben Schwerverletzte.

In einer Zeit, in der Zivilisationskrankheiten zunehmen und das Gesundheitssystem stark belasten, ist eine flächendeckende Einführung von E-Bikes oder E-Scooter eindeutig abzulehnen. Es stellt ganz klar einen Schritt in die falsche Richtung dar. Andere Städte hingegen – wie zum Beispiel Düsseldorf – versuchen ebenfalls ein verbessertes Mobilitätskonzept anzubieten. Sie setzen aber vermehrt auf Leihfahrräder, die im Stadtgebiet verteilt sind. So tut der Fahrer gleichzeitig etwas für seine Fitness.

Ist E-Mobilität ökologisch?

Aber die Zukunft E-Mobilität ist doch zumindest ökologisch! Oder? Diese Frage mag sich jeder selbst beantworten – oder warten, bis die Wissenschaft eine Antwort liefert. Hat man die Wahl zwischen dem Verbrennungsmotor im Auto und dem E-Scooter, ist der E-Scooter wahrscheinlich die bessere Wahl im Hinblick auf den Klimawandel. Die Beste ist trotzdem unbestritten: das Fahrrad. Oder noch besser: die Laufschuhe.

Fakt bleibt auch: E-Bike und E-Scooter benötigen neben dem Strom auch leistungsfähige Akkus. Diese Hochleistungsakkus sind nicht mit den Batterien, die man im Discounter kaufen kann, vergleichbar. Sie zeichnen sich durch enorm hohe Kapazitäten, sehr hohe Energiedichte und meist durch kleine Einbaumaße aus. Hergestellt werden diese aus seltenen Erden wie Lithium. Bei diesem Thema sieht Harald Lesch, Professor für Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, ein großes Problem der Zukunft E-Mobilität. So werden allein für die Gewinnung von einer Tonne Lithium zwei Millionen Liter Wasser benötigt, das vorher in die Erde gepumpt wird und anschließend zurück an der Oberfläche ungenutzt verdunstet. Hierdurch werden Desertifikationsprozesse beschleunigt. Die langfristigen ökologischen Folgen sind nicht abzusehen. Die weit verbreitete Nutzung von Hochleistungsakkus, die übrigens auch in Tablets und Handys verbaut werden, sollte jedoch kritisch hinterfragt werden.
Online Cookies

„Our arms hangin‘ limp at your sides | Your legs got nothin‘ to do | Some machine’s doin‘ that for you…“ Mit Blick auf die markante Zeile von Zager and Evans im Song „In the year 2525“ ist die Anschaffung und regelmäßige Nutzung eines E-Bikes oder E-Scooters ein Schritt in die falsche Richtung. Sportwissenschaftlich gesehen lautet die Empfehlung: Kauft Euch ein normales Fahrrad, denn: Diverse sportmedizinische Quellen belegen, dass Fahrradfahren je nach Körpergewicht und Fahrgeschwindigkeit des Nutzers einen Kalorienverlust von etwa 400 bis 1000 Kalorien pro Stunde bedeutet. Ein Grund mehr, ein klassisches Fahrrad zu nutzen.

Oder macht doch etwas noch Verrückteres: Geht Spazieren!

 

Quellen:
https://www.derstandard.de/story/2000104923688/stolperfalle-e-scooter-werden-fuer-blinde-zum-problem

https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/behindertenverband-gegen-e-scooter-unsere-mitglieder-fuehlen-sich-inzwischen-sehr-unsicher-in-der-stadt/24868092.html

https://www.welt.de/vermischtes/article197928687/Zu-viele-Unfaelle-Gefahr-fuer-Blinde-und-Behinderte-Bald-Schulungen-fuer-E-Scooter-Fahrer.html

https://www.merkur.de/wirtschaft/harald-lesch-zdf-rechnet-mit-tesla-und-co-ab-wie-sauber-sind-elektroautos-zr-12362008.html

Sascha Schrey ist Diplom-Sportwissenschaftler (Schwerpunkt „Prävention und Rehabilitation“) und Betrieblicher Gesundheitsmanager (IHK). Er verfügt über vielfältige Erfahrungen u.a. als Sporttherapeut, selbstständiger Personaltrainer und Ausbilder. Darüber hinaus war er in den letzten Jahren als Sales-Manager und geschäftsführender Clubleiter bei verschiedenen Fitnessclubs und -ketten tätig. An der IST Hochschule ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Konzeption und Lehrgangsentwicklung, sowie als Dozent tätig. Das Modul Personal Training betreut er zudem als Modulverantwortlicher.

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here